Stuttgart d 30ten Jan 82.
Liebe Marie,
nehmen Sie meinen herzlichsten Dank für Ihren lieben Brief, der mich doppelt erfreute, erstmal weil er von Ihnen kam, dann weil er so Gutes brachte. – Ja – es ist merkwürdig daß die Stadt, wo mein Mann die Oper zuerst eingereicht hatte, nach 30 Jahren kommt. Ein Repertoirestück, wie Sie meinen, wird es wohl nun nicht werden, aber immer-|2|hin ab und zu hervorgeholt werden wenn die Menschen einmal Heißhunger haben nach guter Musik. Wie gern möchte ich einmal einer Vorstellung in Dresden beiwohnen können. – Eine wirklich hinreißende Genoveva habe ich nur einmal gesehen. –
Bald werden Sie nun einen Genuß andrer Art haben. Sicher besuchen Sie doch das Concert am 22ten wo Brahms sein neues Concert spielt.
|3| Von uns kann ich Ihnen Gutes sagen, augenblicklich bin ich hier für ein Concert heute Abend. – Ich lege Ihnen hier ein Programm bei. Im Ganzen concertire ich aber sehr wenig, etwa einmal im Monat. Es ist doch auch nicht leicht die Schüler immer zu verlassen wofür man sie nachher schadlos halten muß. Uebrigens habe ich doch manche Freude durch mei¬ne Thätigkeit, und, geht alles gut, so hoffe ich bald eine in die Welt hinaus schicken zu können, die von sich |4| reden machen wird, im besten Sinn des Wortes.
Nun, liebste Marie, leben Sie wohl, schreiben Sie mir bald mal wieder, grüßen Sie ihre liebe treue Louise und seien Sie in aufrichtiger Zuneigung umarmt von
Ihrer getreuen
Clara Schumann.
D. 17 April. Denken Sie, liebe Marie, ich hatte in Stuttgart Ihre Adresse nicht, nahm den Brief mit nach Haus, er blieb in der Reise-Schreibmappe, und in London fand ich ihn darin, da hatte ich Ihre Adresse aber wieder nicht, und so erhalten Sie ihn einige Monate später. Ich bin also unter¬dieß in England gewesen und habe großes Succes dort gehabt, mehr denn je.Jetzt bin ich wieder hier, ruhig bis zum July. Liebste Marie, lassen Sie mich bald wieder ’mal von sich hören. Getreu
Ihre Cl. Sch.
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