23.01.2024

Briefe



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ID: 14436
Geschrieben am: Mittwoch 13.11.1850
 

Düsseldorf, d. 13. Nov. 1850
Liebe Emilie,
längst schon lag es mir auf dem Herzen, Ihnen Ihren lieben Brief mit der Sendung des G-Moll Konzertes zu beantworten, es war mir aber nicht möglich, ich lebte und lebe noch in zu großer Unruhe, als daß ich ein Musestündchen fände. Doch heute habe ich mich in meinem Zimmer ein¬geschlossen, und will dies benutzen, Ihnen ein wenig von uns zu erzählen; fürerst aber haben Sie Dank für Ihre Besorgungen, die ja Alle gut waren! Das Konzert kam noch selben Morgen, wo ich es [am] Abend spielte, und daher schenkte ich es meinem Manne gleich, der sich sehr darüber freute; da ich aber nun einmal von Besorgungen spreche, so will ich gleich erst die Geschäfte abmachen, ehe ich ins Schwatzen gerate. Sie erhalten hierbei die Stimmen zu beiden Beethovenschen Konzerten, und bitte ich Sie, dieselben zu Gottschalk zu bringen mit dem Bemerken, daß er sie ja nicht befleckt, denn ich habe sie geliehen; und dann bitten Sie ihn drin¬gend, daß er ja Alles bis zum 15. Dezember fertig hat, denn ich muß dann die Partituren erst noch hier binden lassen. Wenn Ihnen Gottschalk Alles übergiebt, so seien Sie so gut, ihn, wenn Sie es haben, zu bezahlen, und mir seine Rechnung zu schicken, damit ich mich dann gleich bei Ihnen meiner Schuld entledige. – Sie wissen wohl, ich lasse solche Sachen nicht gern hinhängen. Ferner läßt Sie mein Mann bitten, doch Selbst einmal zu Herrn Pfretzschner, Freiberger Straße im Seminar 2 Treppen, zu gehen, und sich den Klavierauszug der Bachschen Passion (ein Exemplar mit Oel begossen und zerrissenem Blatte), ferner das Abschiedslied geben zu las¬sen. Mein Mann erinnert sich sehr wohl, ihm die Partitur geschenkt zu ha¬ben, aber nicht die Stimmen und die anderen Partituren (er sagt nämlich, es seien 7 Partituren dabei gewesen) – die eine Partitur soll er ja behalten. Ich lege noch einen Kragen bei, den ich Sie bitte, bei der Heflen waschen zu lassen, und bei der nächsten Sendung von Gottschalk beizulegen. Und nun ┌genug┐ der Aufträge, ich wundre mich nicht, wenn Sie froh sind, kei¬ne Briefe von mir zu erhalten, denn sie sind nur mühevoll für Sie; übrigens haben Sie mir meinen letzten Brief recht ordentlich wieder mit einem ächten Geschäftsbrief vergolten! Dies soll jedoch kein Vorwurf für Sie sein, ich war selbst die Schuld! –
Von unserem Leben kann ich Ihnen nur Gutes sagen, denn wir wer¬den auf den Händen getragen, und hoch gefeiert; mein Mann wurde bei seinem ersten Auftreten mit einem dreimaligen Tusche empfangen, des¬gleichen auch ich, als ich Mendelssohns Konzert spielte; es gelang mir auch sehr gut und das Publikum war so enthusiasmiert, daß es so lange schrie, bis mir das Orchester abermals einen Tusch brachte. Die übrigen Sachen gingen alle vortrefflich, das Orchester ist sehr gut hier, und brin¬gen ┌alle┐ meinem Manne den besten Willen entgegen. Die Stellung be¬friedigt meinen Mann sehr, und so bleibt uns wirklich Nichts zu wünschen übrig. In Köln spielte ich vor 8 Tagen auch und wurde auf das ehrenvolls¬te aufgenommen, mit einem Enthusiasmus, wie er mir größer kaum je¬mals vorgekommen; nächste Woche gebe ich wieder Konzert dort! – Der Krieg macht uns seit einigen Tagen viel Unruhe – Gott gebe, daß es nicht dazu komme! –
Wir studieren jetzt auf das zweite Abonnementskonzert los und auf eines in nächster Woche für die Schleswiger, wo die „Comala“<)> (die im 1. Konzert großen Eindruck gemacht hatte, aber auch eines der genials¬ten, meisterhaftesten Werke ist, die ich kenne – man müßts mit Orchester gehört haben – ) wiederholt werden soll. Im 2. Abonnementskonzert wird eine Ouverture von Hiller, Arie von Weber, Konzert für Violine von Mendelssohn (von Wasielewski gespielt), Requiem für Mignon von mei¬nem Mann, und Beethovens A-dur Symphonie gemacht; im dritten soll der „Israel“ von Händel aufgeführt werden. So steht uns denn so Man¬ches Herrliche bevor, wenn nur der Krieg uns nicht andere Musik macht! auch in Sachsen sähe es dann schlimm aus, denn dort würde wohl Alles ausgefochten werden.
Marie Lindemann sagen Sie meine herzlichsten Grüße, und ich freute mich wahrhaft über <ihre> ┌die┐ Energie, die sie beweise, und fände es sehr schön, daß sie für ihren Bruder kein Opfer (denn das ist es doch ge¬wiß) scheue. – sie solle nur recht mutig darauf los spielen, sie wird ja uns [recte: das], was sie spielt, gewiß ordentlich können! ich hätte ihr gern selbst geschrieben, ich kanns aber mit dem besten Willen nicht, denn ich bin zu sehr beschäftigt, und die Briefschulden erdrücken mich fast.
Einige recht liebe Damen habe ich kennen gelernt, und werde ich von diesen wirklich auf den Händen getragen. Mein Zimmer wird nicht leer von Blumen, und da muß ich denn immerzu an die Dresdner lieben Freundinnen denken, die mich auch dort so sehr verwöhnten. Mit Frauen habe ich noch nicht viel näher verkehrt – offen gestanden (unter uns ge¬sagt) behagt mir das Verhältnis derselben zu ihren Männern nicht (Einige natürlich ausgenommen). Im Allgemeinen herrscht hier schon etwas die französische Ehestands-Sitte; die Frau thut was sie will, auch der Mann. Die Frauen haben Jede ihren Courmacher, der öffentlich dafür gilt, bei allen Diner’s, Soirées ect neben ihnen sitzt, mit ihnen spaziren geht u.s.w. Dem widerstrebt mein Sinn so sehr, daß ich nicht glaube, daß ich mit die¬sen Frauen jemals in irgend ein inniges Verhältnis treten kann. Zu meinem Troste aber ist doch eine unter meinen Bekannten, die nur ihrem Manne lebt, und wir sehen uns auch öfter, und habe ich noch mehr Zeit, so werde ich diese Freundschaft pflegen.
Nun, liebe Emilie, schrieb ich Ihnen Alles, was ich in der kurzen Zeit einer Stunde, die mir vergönnt war, irgend schreiben konnte, es ist auch schlecht genug ausgefallen. Nun bitte ich Sie aber auch recht bald wieder um eine Nachricht. Schreiben Sie mir, wie Mariens Matinée abgelaufen, ich werde am Sonntag Morgen viel ins Hotel de Saxe denken; dann, ob Sie Stunden haben, so viel Sie wünschen, ferner, was die Jacobi macht, ob die Soireen meiner Schwester zu Stande kommen? wie das Konzert ausgefallen? Sie waren doch gewiß darin? denken Sie, ich habe meinem Vater noch nicht geschrieben, doch, Sie wissen ja, wie er mich besudelt, wie er mich dem ärgsten Sünder beigesellt, was kann ich da schreiben? mit welchem Herzen soll ich das tun? ich kann nicht und möchte doch gern, ich könnte es! –
Es soll mich recht herzlich freuen, wäre meiner Schwester durch mein Fortgehen der Weg in Dresden gebahnt, und ich hoffe, die Soireen sol¬len gut werden! warum auch nicht? sie spielt ja ganz vortrefflich, und ein bischen Spiritus mehr oder weniger, das versteht das Publikum so genau nicht, vielleicht macht sie sich doch nun auch immer mehr heraus! –
Die Kinder legen einige Worte bei, wie sie es nun eben können. Grüßen Sie Bendemanns und Ehrhards herzlichst und danken Sie Ers¬teren für ihren lieben Brief.
Ihnen, meine liebe Emilie, einen recht freundschaftlichen Kuß von Ihrer
Clara Schumann.
(Auf einem beiliegenden Zettel):
Sprechen Sie zu der Bendemann Nichts von dem, was ich Ihnen von den hiesigen Frauen schrieb, denn das würde gleich wieder hierher berichtet, und ich hätte dann Alle die ganzen Frauen gegen mich aufgebracht. Durch die fortwährend bestehende Korrespondenz der Ehrhard und Bende¬mann hierher, würde das gleich zur Sprache kommen; überhaupt, meine liebe Emilie, hoffe ich in Allem, was ich Ihnen im Vertrauen mitteile, auf Ihre völlige Diskretion. Die Welt ist bös, und verdreht Alles, daß es ganz anders ans Tageslicht kömmt, als es gemeint war.
Nun nochmals Adieu!
(Auf der Rückseite)
Mein Mann grüßt Sie und Marie Lindemann schönstens mit mir.
Der Kragen liegt nicht bei. Ein Taschentuch von Marie Lindemann fand sich bei uns vor. – geben Sie es ihr, bitte, zurück. Sie hat es gewiß vermißt.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Steffens, Emilie, verh. Heydenreich, Emilie (3000)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 22
Robert und Clara Schumann im Briefwechsel mit Korrespondenten in Dresden / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Carlos Lozano Fernandez und Renate Brunner / Dohr / Erschienen: 2021
ISBN: 978-3-86846-032-2
928-934

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, Abschr. Kreisig aus Schramm? ?Pastorin Schwen, Freiberg (?);
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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