Hochverehrte Frau!
Diesmal kann ich leider nicht durch einen Besuch in der Bilker-Straße antworten! Wie Sie wohl aus einem an Dr. Schumann überschickten Programm gelesen haben werden, ist das Karlsruher Musikfest um eine Woche später, als Anfangs beabsichtigt war, und somit auch meine Abreise von hier verzögert. So muß ich mich denn schon bescheiden begnügen und bloß schriftlich Ihnen sagen, wie groß meine Freude war, einmal durch einen Brief von Ihnen geehrt zu werden. Es ist doch weise vom lieben Gott, daß er nicht alle Menschen zu so unpünktlichen Briefschreibern gestempelt hat, wie meine Wenigkeit. Ihr Programm für die Soirée in Düsseldorf, <das> die ich nur ja auf den 29ten festzustellen bitte, scheint mir dem Inhalt wie der Form nach ganz vortrefflich. Sogar das „Virtuosenthum“ ist durch Paganinis fantastische Figuren in berechtigter Weise vertreten! Ich schlage von seinen Capricen die 1te u. die letzte (24te) vor, als rechte Brennpunkte des Hexenmeisters Charakteristik, die durch Schumann's Accompagnement noch verdichtert zu hören, ich mich schon jetzt freue. Ich hoffe überhaupt auf schöne Tage der Musik und des herzlichen Beisammenseins, und ich werde viel zu sehr um die Stunden in Ihrer und des verehrten Robert Schumann Nähe geizen, um nicht jede Einladung nach Kre- oder einem andern Felde abzulehnen. Bis jetzt habe ich indeß noch keine erhalten. Vor meiner Ankunft in Düsseldorf werde ich indeß jedenfalls noch wegen des Concerts vom 27ten Oktober schreiben. Für heute verbleibe ich, mit innigster Verehrung, Ihr und Ihres verehrten Gemahls
treu ergebener
Joseph Joachim.
Karlsruh
Am 30ten Septbr 1853
Mit Gasthof-Tinte!!!
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