23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 17260
Geschrieben am: Donnerstag 15.02.1855
 

Liebe, verehrte Freundin!

Wie hoch erfreut mich Ihre Zustimmung zu meinen Akkorden! Es thut gar zu wohl, wenn das, was man einsam empfunden hat, sich andern, geliebten Freunden mittheilt, und Sie und Johannes können einen Musiker wohl für die Urtheile (und guten Rathschläge) aller übrigen Menschen, denen seine Sachen nicht gefallen, entschädigen. Aber Sie haben auch mit gar freundschaftlichem Ohr und Empfinden meine Töne aufgenommen, und ich wollte, ich könnte dem Ideal, das Sie darin ahnen wollen, mit spätern Werken immer näher wachsen. Wie schön wird es sein, wenn ich die Variationen nun auch von Ihnen wirklich höre, wie Sie versprochen haben: ich will schon für Bratsche und Klavier Sorge<n> tragen -- Nun aber zu dem Geschäft- lichen: ich kann nämlich keinesfalls vor Sonnabend (übermorgen) über 8 Tagen Abends von hier abreisen, denn erst dann ist unser 6tes Concert in Hannover, das ich nothwendig noch dirigiren muß, unabänderlich! Schreiben Sie also, ich bitte, ja gleich an den Umständlichen in Berlin, den Schauspielhaus-Saal nicht vor der übernächsten Woche zu miethen -- ich würde es gewiß selbst thun, und unterlasse es nicht aus Schreibfa . . . --, sondern nur, weil ich fürchte, (der durchaus ehrenwerte, geehrte und in seiner Güte sowohl durch mich, als auch durch Sie, meine über alles hoch geschätzte Frau Doctorin, zu wiederholten Malen erprobte Musikalien-Verlagshandlung besitzende) Herr Friedländer dürfte durch eine Contre-Ordre von mir confus werden. Ich gebe Ihnen ganz recht, wenn Sie meinen, daß das Beethoven’sche Violin-Concert für unsere eigene Soirée aufgespart werden soll -- wir sind uns denn doch die allernächsten; ich war wieder einmal allzu philanthropisch! Was meinen Sie, wenn wir Stern folgendes Programm zu seinem Beethov.-Abend vorschlagen:

a Fantasie mit Chor in Gmoll
b Romanze mit Orchester in Gdur (Op. 40)
c Kreutzer-Sonate
d Romanze mit Orchester in Fdur (Op. 50)
e Mißa sollemnis

Die Romanzen von Beethoven klingen mit Orchester
ganz anders als im Klavier-Arrangement, wirklich schön; noch im letzten Concert erfreute ich mich mit Grimm daran, die in F zu hören. An die Danziger kann ich nicht schreiben, bevor ich vom König die Bestätigung habe, fortbleiben zu dürfen, und leider kommen bis jetzt Hofbälle, Diplomaten, Schlittenfahrten in die Quere; noch eben war ich vergebens bei einem seiner Adjutanten im Schloß, um meine Bitte Sr. Majestät vortragen zu lassen. Aber gewiß hat der König nichts dagegen, nur werde ich nicht 3 Wochen bleiben können, denn am Sonnabend über 3 Wochen muß ich wieder hier im 7ten Concerte spielen. Ich hoffe von Stunde zu Stunde auf Gewißheit über die Meinung des Königs, und Sie sollens dann gleich erfahren. Vorsichtig muß ich in der Sache sein, denn Platen benützt gerne jede Gelegenheit, dem König von mir <> falsche Dinge zu berichten, und da der König mich nicht gerne in Berlin spielen läßt, weil Rhedern einmal zu ihm geäußert hatte „man wollte mich ihm weg?schen“, so würde mein Chef das benutzen und neuerdings sagen: ich<wollte> wäre noch immer unzufrieden mit Hannover, Undank, Künstlerlaunen, schwer zu behandeln, Schade um mein Talent, Einseitigkeit etc. etc. O, das Hof-Geschm . . . .! Von der Lind ist noch keine bestimmte Antwort da, aber sie kömmt jedenfalls. Über Spohr muß ich Ihnen im nächsten Brief schreiben - morgen wohl, hoffe ich. Der alte Herr hat neuerdings herzlich gefragt, ob Sie nicht kommen könnten, er würde so gerne selbst alles vorher arrangiren, und spielen u. s. w. u. s. w. Schreiben Sie ihm nichts <u>Unfreundliches, ich werde Ihnen Seinen Brief erklären.
Für heute in aller Eile
Ihr
verehrend ergebener
Joseph Joachim.

Herzlichen Händedruck und Gruß an den theuern, verehrten Johannes.


Ihro Wohlgeboren
Frau Klara Schumann
in Duesseldorf

  Absender: Joachim, Joseph (773)
  Absendeort:
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
184-187

  Standort/Quelle:*) D-DÜhh
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



Wir verwenden Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten (Mehr Informationen).
Wenn Sie auf unserer Seite weitersurfen, stimmen Sie bitte der Cookie-Nutzung zu. Ich stimme zu.