23.01.2024

Briefe



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ID: 17264
Geschrieben am: Mittwoch 04.04.1855
 

Mittwoch, 4 Uhr Nachmittags;
Datum weiß ich nicht genau

Verehrte Freundin

Vielen Dank für die schönen Briefe – Ihren und des geliebten Meisters meine ich! Wie lebhaft hat Er doch alles vor Seinem geistigen Aug! und wie freut mich’s innig daß auch ich mit Johannes häufig Seine Phantasie beschäftige! Schön ist Alles, das er Ihnen mittheilt, und trostreich die Beschäftigung die Er vornimmt: ich fange an fleißig zu üben, damit wir im Sommer die Paganini-Etuden spielen können, auf die ich sehr begierig bin. Hoffentlich spiele ich sie auch mit Johannes einmal in Endenich. Gebe Gott, daß das rege geistige Leben den theuern Freund und verehrten Meister <> bald auch zum Verkehr mit der Außenwelt vorbereite; darüber sprechen wir wohl namentlich wenn ich Ihn erst wiedergesehen habe, wonach ich recht verlange! Auf Ihrer Reise nach Weimar (denn die Genoveva müssen Sie in jedem Fall hören) sehen wir uns hoffentlich. Für ein Concert bin ich jetzt nicht; Spohr und andere Musik haben des Publikums Empfänglichkeit nicht frisch genug gelassen, um daß wir bestimmt auf glänzenden Erfolg rechnen könnten, und in Hannover muß man nur brillante oder gar keine Concerte geben! Es ist aber die beste Aussicht da, daß der König und die Königin Musik hören wollen, und daß wir dort spielen wo wir zuletzt im Schloß musicirt haben. Jedenfalls darf ich Ihnen die Versicherung geben, daß beide Majestäten Ihnen die herzlichste Theilnahme bewahren ohngeachtet aller Platens! Die Frau Obersthofmeisterin, die ich heute besuchte, erzählte wiederholt wie oft namentlich die Königin von Ihnen gesprochen, und meint daß nur die Versäumniß des Herrn Grafen Pl. Sie zu melden Schuld sein könne<n>, daß der König nicht Befehl gegeben habe Sie zum Spiel einzuladen. Wehner hat gewiß nichts gegen Sie unternommen bei seinen Conferenzen, das wagt er nicht! Er wird manches Gute unterlassen, aber gewiß nichts Schlechtes unternehmen, wenn er es als Solches klar sieht. So weit traue ich ihm. – Liszt hat mir nichts von der Genoveva wissen lassen; und hat eigentlich auch recht; was für böses Gewissen habe ich <auch> den Weimaranern gegenüber! Und doch hoffe ich es wird mir möglich sein die Oper zu hören; auch darüber müssen wir sprechen. – Dem Holländer gäbe ich gerne einen günstigen Bescheid wegen des Unterrichts; aber da ist ohnedieß schon ein Amerikaner und ein Däne die mich nach Duesseldorf wegen Stunden begleiten wollen – ich fürchte ich unternehme zu viel wenn auch Myn-Her von Leyden mein Leidwesen vermehrt. Interessiren Sie sich besonders für den „wackeren“ Familienvater so will ich ihm Stunden geben; sonst soll er zu Hause bleiben. Sie haben mich so oft der Qual der Wahl entzogen; thun Sie es auch diesmal. Dem Duesseldorfer M-Fest Comité habe ich bereits abgeschrieben. Schreiben Sie mir, wann Sie hier durchreisen, und verzeihen Sie den eiligen Brief, verehrte Freundin, Ihrem innig ergebenen
Joseph J.

Viele schönste Grüße an Johannes und Ludwig.

  Absender: Joachim, Joseph (773)
  Absendeort:
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
204ff

  Standort/Quelle:*) D-DÜhh: 55.1998, Nr. 16
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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