23.01.2024

Briefe



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ID: 17366
Geschrieben am: Donnerstag 06.03.1862
 

Liebe Frau Schumann

Seitdem ich mich von Johannes getrennt habe, am 24ten v. M., ist mir wohl jede Aussicht be-nommen von Ihnen zu hören, wenn ich nicht speciell darum bitte. Ich weiß gar nicht, wo und wie Sie leben! Hiller sagte mir, Sie wären in Karlsruhe, und würden mehrere Tage dort bleiben. In Zeitungen las ich, Sie würden in Paris erwartet! Mir hatten Sie einmal im Winter mitgetheilt, Sie hätten Lust die Londoner Ausstellung mit zu sehen. Soll ich mit Ella, Chappell, Bennett etc. sprechen, und sagen, daß Sie gewiß zur Saison kämen? Sonst ist es natürlich sehr schwer Engagements zu ermöglichen. Auf alle Fälle aber schreiben Sie mir recht bald ein paar Worte wie es Ihnen und den Ihrigen geht. Ist Julchen wieder besser? Das arme Kind, soll recht leidend gewesen sein. Mir geht es, nach überstandener häßlicher Seereise, recht gut. Ich bereue es nicht herüber gefahren zu sein; mein Zimmerchen ist sehr wöhnlich, ein schöner Broadwood drin, und Rabe’s freundlich drolliges Gesicht ist mir gefolgt. Meine Adresse ist: 40 St James’s Place, St James’s Street. Miss Busby habe ich neulich gesehen; auch Lehmans, bei denen ich nächsten Dienstag mit Dickens essen soll. Aber die 1000 Fragen von ihnen und vielen Andern nach Mme Sch. konnte ich nur sehr ungenügend beantworten. Benutzen Sie doch ja bald meine Adresse, damit es anders wird, und ich nicht roth zu werden brauche, als hätten wir uns gezankt, wenn man sich nach Ihnen erkundigt! Das ist gar nicht in der Ordnung. Über Gade und über manches Andere von Hannover hätte ich zu erzählen, und hoffe darum bald zu hören, wohin ich meine Gedanken wenden soll. Ohne Zielpunkt in die Welt hinein zu schreiben ist unbehaglich,<h> das haben Sie gewiß auch erfahren. Schuberth hat mich gebeten, meine Bearbeitung des Abendlieds drucken zu dürfen. Ich habe es unter der Bedingung erlaubt, daß er keine Anpreisungs-Annoncen macht, und bloß in Klammern mit kleinen Buchstaben auf den Titel des <kleinen> Blättchens: bearbeitet für Violine etc von J. Joachim setzt. Ist’s aber Ihnen auch recht? Schuberth wartet auf Antwort; Sie müssen also bald ein paar Zeilen schreiben.
Für diesmal Adieu!
In herzlicher Ergebenheit
Joseph Joachim.

Am 6ten März.

  Absender: Joachim, Joseph (773)
  Absendeort: London
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
653ff

  Standort/Quelle:*) D-DÜhh: 55.1998, Nr. 115
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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