23.01.2024

Briefe



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ID: 17369
Geschrieben am: Dienstag 15.04.1862
 

Bevor Sie lesen, verzeihen Sie die furchtbare Eile im Voraus!

Liebe Frau Schumann

Es ist also entschieden, daß Sie nicht kommen! So leid dies mir persönlich thut, so bin ich doch insofern getröstet, als ich glaube daß Sie mit der Ausstellung hätten eine Masse Unruhe in den Kauf nehmen müssen. Es kommen schon viel Bekannte zusammen, auch sehr angenehme: Karl Mendelsohn [sic] <>, den ich eben gesehen habe. In einer Stunde kömmt Mariens Bekannte, Helene Figdor mit ihrem Vater u. Bruder an. Aber zum Wichtigsten: zu Ihrem Protégé. Wenn Sie meinen, daß es zu seinem Glück unabänderlich nöthig sei schon jetzt Paris zu verlassen u. hieher zu kommen, so würde ich natürlich trachten soviel wie möglich zur Errei-chung seiner Absichten beizutragen. Nur muß ich darauf aufmerksam machen: die Zeit der Ausstellung wird für einen jungen Menschen sehr aufregend, u. vom Studium ablenkend werden. Alles (oder wenigstens vieles) mitzumachen wird sehr kostspielig sein; in London <> leben, und, während andere alles Interessante kennen lernen und sich zerstreuen, bloß an’s Studium zu denken, ist andererseits etwas, was mich als jungen Menschen sehr traurig gemacht hätte. Zudem kömmt, daß ich nicht nur durch Concerte, sondern auch durch eine Menge Freunde u. Bekannte aus allen Gegenden werde in Anspruch genommen werden: Verwandte, Wiener Künstler, Scholz (im Juni), etc die ich wohl alle mit Billetten werde zu versorgen haben, so viel ich kann. Bedenken Sie dies alles, und auch: mit dem Hören allein ist’s denn doch nicht gethan! Sind Sie nach diesen Bedenken dennoch der Meinung, daß der junge Rose herüber kommen soll, so werde ich, wie gesagt, nach Kräften suchen ihm nützlich zu sein. Rath geben kann ich nicht. Ich kenne die Natur und das Talent des jungen Mannes gar nicht, und möchte die Verantwortlichkeit der Veranlassung zu dem Schritt nicht auf mich nehmen. Soll ich Sie zum 26ten Mai für Hannover in Vorschlag bringen? Dem König könnte gewiß keine liebere Überraschung kommen; und die Königin hat nur aus Bescheidenheit nicht auf Sie reflektirt; davon bin ich fest überzeugt. Werden Sie das Kölnische Fest mit hören? Dann gieng’s wohl zu vereinigen; Sie schienen nicht ohne Lust! Bitte, schreiben Sie mir darüber. An allem Schönen, das Ihnen widerfährt nehme ich herzlichen Antheil! Sie und Fräulein Marie vielmals grüßend
Joseph J.

  Absender: Joachim, Joseph (773)
  Absendeort: London
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort: Paris
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
670ff

  Standort/Quelle:*) D-DÜhh: 55.1998, Nr. 118
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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