23.01.2024

Briefe



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ID: 17370
Geschrieben am: Freitag 18.07.1862
 

Am 18ten Juli

Liebe Frau Schumann

Sie sind jetzt schon auf einer Station zur Reise in die Schweiz, während ich noch immer unter der Häusermasse Londons sitze, mit mancherlei Fesseln, welche die Saison hier um alle schlingt, die sich in ihr Treiben begeben, nolens volens! Ich habe die Verpflichtung, noch am 28ten und 29ten d. M. hier zu spielen, dann bin ich, dem Himmel sei Dank, frei, da ich alle Aufforderungen zu Reisen in die Provinzen abgewiesen habe. Mein Plan ist, dann in unmittelbarer Nähe Londons auf’s Land zu gehen, etwa nach Norwood, und da einige Zeit zu leben, um zu arbeiten und nebenher die Kunstschätze Londons und die Ausstellung mehr und mehr kennen zu lernen. Wohl zöge es mich wieder nach der Schweiz, wo es mir voriges Jahr so herrlich geschienen – aber ich scheue das ewige Herumziehen, das mich zuletzt ganz rastlos machen würde. Meine Gesundheit ist so stark, daß ich keiner Reiseerholung und Bergluft bedarf, so gerne ich die Lavinen wieder rollen hörte! Johannes ist wohlbehalten in Ham, wie mir Heins aus Hamburg versicherte, der ihn vor seiner Hieherkunft gesprochen. Was Sie mir von seiner Sinfonie schreiben, entzückt mich. Könnte ich sie doch sehen; aber ich fürchte, er wird sie kaum hieher schicken wollen. Doch will ich’s versuchen, ihn zu überreden. Wenn ich an die Freude denke, Johannes’ Sinfonie einstudiren und zuerst aufführen zu können, bekomme ich freilich wieder starke Lust, den Vorschlag des Königs zu segnen, der mir freistellte meine 2 Jahre Urlaub zu nehmen, mit der einzigen Beschränkung den Gehalt fortzubeziehen, und dafür (nach meiner Wahl der Zeit) 6 Concerte <alle> jedes Jahr zu dirigiren. Ich weiß, Sie reden zu! Bitte, lassen Sie bald wieder von Sich hören, wenigstens Ihre nächste Adresse, damit ich meinen Brief fortsetzen kann; denn das ist blos ein Anfang. Ich grüße alle die Ihrigen vielmals, und hoffe über Fräulein Julchen bald Beruhigendes zu vernehmen. Ach, der arme Woldemar. Meine Adresse ist nach wie vor St James’s Place, St James’s. Ich wohne wenigstens in einem ruhigen Gäßchen, und nur die deutschen Blechmusikanten bringen öfter Störung, als ich wünschte, trotz aller Liebe für die Heimath.
In getreuer Ergebenheit
Ihr
Joseph J.

Frau Klara Schumann
Karlsruhe

  Absender: Joachim, Joseph (773)
  Absendeort:
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
679ff

  Standort/Quelle:*) D-DÜhh
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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