23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 17392
Geschrieben am: Mittwoch 20.04.1864
 

Am 20ten

Liebe Frau Schumann

Neulich wollte ich Ihnen in der ersten, wirklich ganz unbändigen Freude über Ihren lieben Brief gleich von Cöln aus schreiben, wo ich den Tag nach Empfang desselben spielte, kam aber bei Hillers nicht dazu! Später, hieher zurückgekehrt, war ich ein paar Tage sehr erkältet – und so komme ich erst später als ich wollte und sollte zu einem Freudes-Dank. Ja, Sie waren recht weit und lange weg, und daß Sie ersteres noch sind habe ich besonders jetzt auch künstlerisch zu bedauern, wo ich mein neues Concert in nächster Woche mit Orchester hören will. Sonst pflegten Sie und Johannes bei solchen Versuchen zu sein, und was ich an Freude und Anregung dadurch hatte, brauche ich nicht erst zu sagen – also bloß: wären Sie hier. Ich habe so lange als Componist brach gelegen, daß ich ordentlich froh bin etwas fertiges vor mir zu sehen, und ich fange wieder an mit Freude, nicht bloß wehmüthiglich an Schaffen zu denken. Mit dem ersten Satz bin ich noch nicht zufrieden – da wäre mir denn Ihr feines Urtheil lieb und werth. Nun später hoffentlich! Werde ich Sie denn in Aachen sehen? Es ist zu dumm, daß Sie nicht auch geladen sind; wahrscheinlich scheuen sie dort die doppelten Solisten-Kosten, und Geige ist ja das Instrument für größere Räume, mehr als Klavier! Meine Ursi war zum Alt-Singen geladen, kann aber leider (oder vielmehr des Grundes wegen<,> zum Glück!) nicht mit. Sie wird sich bis zum Herbst,
<wo> in den uns eine große, freudige Veränderung der Häuslichkeit hineinlächelt recht schonen müssen. So werde ich denn auch von Aachen aus allein auf 5 Wochen nach London gehen – ich muß die 2000 Thlr, die mir durch Engagements dort ziemlich gesichert sind, in meinen jetzigen Verhältnissen mitnehmen. Im Juli denken wir dann in den Harz oder nach Thüringen uns ein zu miethen, weit darf’s nicht sein. Ich wollte der gestrenge Herr Doctor erlaubte uns eine Fahrt nach ||:Baden:|| bis Vederemo. In Köln hatte ich neulich die überraschende Freude Bendemanns mit Julien zu sehen. Ich kann mich nicht entschließen „Fräulein Julie“ zu sagen außer zu ihr selbst. Sie war sehr wohl aussehend, und scheint sich behaglich mit Bendemanns zu befinden. Die Musik hatte ihr Freude gemacht, und wird sie’s Ihnen wohl mitgetheilt haben. Von meiner Frau lege ich einige ungelesene Zeilen bei; sie erlaubt mir nie zu lesen was sie schreibt. Ist das nicht grausam? Jetzt werde ich Schelte über die Klage bekommen! Lassen Sie mich nur in einigen Worten Ihre Adresse der nächsten Zeit erfahren, und bloß
noch ob die Erkältung keine Folgen nachgelassen. Zum Briefschreiben kommen Sie natürlich nicht, aber um dies bitte ich herzlichst. An Marie die angelegentlichsten Grüße von uns, und auch Fräulein Hilleprandt eine freundliche Empfehlung. Es ist mir lieb, daß Sie so angenehme Wohnung gefunden haben.
In verehrungsvoller Freundschaft und Ergebenheit
Ihr
Joseph J.

  Absender: Joachim, Joseph (773)
  Absendeort:
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
760ff

  Standort/Quelle:*) D-DÜhh
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



Wir verwenden Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten (Mehr Informationen).
Wenn Sie auf unserer Seite weitersurfen, stimmen Sie bitte der Cookie-Nutzung zu. Ich stimme zu.