Liebe Frau Schumann
In unserm Haus geht es vortrefflich; die Frau war schon aus, das Kind gedeiht, und wird, dank seiner Amme, jeden Tag an Fettgrübchen reicher. Ich lauere von Tag zu Tag auf eine Antwort der Braunschweiger, um zu wissen wann Aussicht da wäre, Sie hier zu begrüßen, und Ihnen mein Söhnlein vorzustellen; aber leider kömmt kein Bescheid. Vielleicht haben Sie von den Herren gehört, und sagen mir es <> dann bald; denn wie sehr ich mich darauf freue mit Ihnen hier in Ihrer Kammermusiksoirée zu musiciren, können Sie Sich denken! Ich bin mit Ausnahme der Tage vom 20ten bis 24ten (und 7ten bis 9ten) Novbr den ganzen November hier, und nenne vorläufig den 12ten und 26ten als gute Concerttage. Programm zu machen ist diesmal nicht schwer: Sonate von Beethoven, D mol Trio von Schumann, A dur Quartett von Brahms! indeß über alle Détails erst später. – Meine Grün’sche Angelegenheit ist noch immer in der Schwebe; d. h. der König ignorirt sie <> vollständig, und glaubt wahrscheinlich mich durch die ausgesuchteste Aufmerksamkeit und Liebenswürdigkeit in andern Dingen zu kirren. Ich kann aber nicht nachgeben, und werde mir eine Audienz vor der Taufe meines Söhnchens ausbitten (dem er sich als Pathe angeboten hat) um in’s Reine zu kommen. – Die Saison hat schon allerlei Vorboten geschickt, Hallé, Damckes u. s. w. Die beiden haben bei Hofe gespielt. Damckes Sachen sind tüchtig gemacht, aber – gar zu trocken; trotzdem haben sich Majestät die 4 händige Sonate für Orchester arrangirt erbethen! – Wie reizend ist das Wiegenlied von Johannes, die alte verflochtene Melodie wie schön. Wenn Sie kommen müssen wir es hören; meiner Frauen Stimme scheint unverändert. Sie grüßt von Herzen, auch Ihre lieben Kinder, wie Ihr getreu ergebner
Joseph Joachim
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