Liebe Frau Schumann!
Nicht Mangel an herzlicher Liebe u. Ergebenheit ist Schuld, daß ich Ihnen, verehrte Frau so lange nicht schrieb; ich hatte wirklich viel, viel zu thun – theils im Theater, theils an Besorgungen für das liebe Häuschen an der Wiese. – Nun ist das Eine abgethan – das Theater ist seit letzten Mai geschlossen u. ich also frei. Ich hatte in letzter Zeit zwar noch die Freude nochmal Orpheus u. zweimal Fidelio zu singen – u. doch sage ich „Gott sei Dank“ daß es zu Ende ist! – denn in meiner jetzigen Gemüthstimmung noch solchen Aufgaben u. Pflichten genügen zu müssen – geht über meine Kräfte. – Der liebe Jo. wird Ihnen gewiß geschrieben haben, wann wir zu heirathen gedenken – oder besser, daß wir es selbst noch nicht wissen. Wenn Alles nach Wunsch geht, so doch vielleicht heute in 8 Tagen – am 10ten – doch ist es noch nicht gewiß. Wie schön wäre es, könnten Sie, liebe Frau Schumann kommen. Doch, es ist Unrecht von mir, einen solchen Wunsch nur auszusprechen – Sie sind schon einmal so lieb gewesen – u haben sich den Strapatzen einer Reise ausgesetzt, um hieher zu kommen – und doch! es wäre gar zu schön! Beim zweiten Orpheus hatte ich die Freude Brahms hier zu sehen – u. kennen zu lernen; er versprach zu unsrer Hochzeit zu kommen. – Ich freue mich herzl. daß Jo. im Okt. nach München geht, wenn nicht früher. So sehe ich Sie dann – und daß [sic] wird auch recht schön werden.
Nun, herzliche Grüße – bitte auch an Ihre Kinder welche ich leider noch nicht kenne – u. behalten – oder besser bekommen Sie ein wenig lieb Ihre Ihnen herzlich
ergebene
Amalie Schneeweiss
Hannover d 3 Juni 1863.
|