Liebste Frau Schumann!
Sie haben meinem Manne und mir eine so große Freude durch Ihre lieben, reizenden Briefe gemacht. Ich danke Ihnen tausendmal dafür! Jo schickte mir Ihren Brief – sehr dankbar Ihrer gedenkend. – Da Sie über meinen Gesundheitszustand hören wollen, so will ich dies langweilige Capitel gleich abmachen. – Mein Zustand ist nicht gerade verzweifelnd – aber – doch recht langweilig. – Die Ärzte haben die Entdeckung gemacht, daß ich – nachdem ich im März dieselbe Geschichte durchmachte wie im vorigen Jahr – <ich> eine chronische Entzündung habe – nebst verschiedenen anderen dazu gehörenden Geschichten – und ich sitze nun hier – eingesalzen bis über die Ohren – u. fürchte, ein hungriger Badegast verschlingt mich nächstens zu den frischen Bohnen. Ein recht fetter Häring bin ich trotz aller Leiden doch noch! – Das fatale ist, daß die warmen Bäder bei dem Regenwetter mir eine Heiserkeit nach der andern zuziehen. – Mitte Juli kommt Jo auf zwei Tage hieher – u. geht uns dann voraus an den Aachensee – in Baiern oder Tyrol – das weiß ich gar nicht – sucht uns Wohnung – u. etwa am 26ten gehe ich u. die Kinder dahin nach. Wir haben so große Sehnsucht nach den Bergen, daß ich meine Seekur im September abmache – u. erst mit Jo ruhig im Hochgebirg bin. In die Schweiz können wir nicht, da es uns mit den Kindern zu theuer ist – und ohne die Kinder können wir nicht sein, wollen wir Genuß vom Aufenthalt haben. Gebirgsluft ist ihnen auch so nöthig. Wie himmlisch wär’s, Sie vertauschten einmal die Schweiz gegen Tyrol. Ach, liebste Frau Schumann thun Sie’s doch! Prachtvolle Gebirgsluft ist dort – nervenstärkend – u. die Ruhe Ihnen gewiß auch gut, da Sie in Baden doch Geselligkeit genug haben! Es wäre zu schön! Soll ich Jo schreiben, er soll sich für Sie um Wohnung umsehen?? H. Lang war im vorigen Jahr am Achensee u. kann uns behilflich sein. – Daß Ihre Frau Tochter Sie besuchen komt [sic], ist ja ganz herrlich. Ich kann mir denken, wie Sie sich darauf freuen. – Eigentlich wäre es doch recht paßend, wenn sie alle ihre Freunde der Reihe nach aufsuchte, und da auch nach Berlin käme! Wie gerne sähe ich sie wieder einmal! – Hier, eine Familie Gräff erkundigt sich fleißig nach Ihnen und Ihrem Befinden. Neulich sprachen sie sogar davon Sie kämen vielleicht zu einem Conzert hieher. Das ist wohl nur Gerede?! Doch, ich fürchte Sie sind schon ungeduldig – u. ich muß meine Kratzfüße bändigen. – Viele Grüße Ihren lieben Kindern. Es wäre ganz reizend, wenn Frl. Eugenie8 mir ’mal schriebe. – Das mit dem Achensee überlegen Sie sich, ich bitte schön – liebste Frau Schumann.
Immer Ihre dankbar ergebene
Ursi J.
3tn Juli
An Brahms viel herzliches. Wie schade daß Sie Levi verlieren! – Er wird uns allen so entrückt – durch dies alte München.
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