23.01.2024

Briefe



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ID: 17432
Geschrieben am: Samstag 01.07.1865 bis: 31.07.1865
 

9, East Terrace
Whitby

Liebe Frau Schumann

Wir sind seit einer Woche hier an der See, und die kühlere reinere Luft thut meiner Frau wohl. Auch der Junge gedeiht und mir gefällt es hier. Die alte Stadt Whitby liegt an den beiden Ufern eines in’s Meer laufenden Flüßchens (Esk), dessen Mündung einen von 2 mächtigen Steindemmen [sic] eingeschlossenen Hafen bildet; der neue Theil der Stadt <liegt> ist auf den etwa 200 Fuß hohen Dünen gebaut, und da wohnen wir. Man kann sehr hübsche Ausflüge auch in’s Innere machen, wo es <> schattige Hügel und Bäche nach Art deutscher Landschaften giebt. So denke ich werden wir es 6 bis 8 Wochen hier behaglich finden, und dann ist gewiß meine Frau kräftig genug um den Abstecher nach Baden und Hannover zu machen. In London war’s noch recht unerquicklich heiß nachdem Sie uns verlassen; doch wünschte ich Sie zum Händel-Fest herbei! Es klang im Ganzen überwältigend, wenn man auch über manches Costa’sche in der Temponahme und Instrumentation ärgerlich werden konnte. Eine große Freude bereitete ich mir noch am letzten Tag meines Londoner Aufenthalts durch das Sextett von Brahms in G. Ich hatte mich eigentlich ein bischen davor gefürchtet, denn das erste Sextett war mir als besonderer Liebling im Sinn, und wenn ich das neue darnach maaß, mußte ich mir gestehen daß die Gedanken an Kraft nachstehen. Nun klingt aber doch der erste Satz so anmuthig, das Scherzo oft so originell, und das Adagio enthält so viel harmonisch Tiefes, daß ich das Ganze lieb gewann und nur wünschte der letzte Satz wäre dabei gewesen. Ist Johannes noch bei Ihnen? Bleibt er bis September? Ich hoffe es von Herzen, denn ich habe ihn lange entbehren müssen. Wenn ich weiß, daß er in Baden ist, so schreibe ich ihm; es ist mir aber unbehaglich in’s Ungewisse hinein zu <schreiben>sprechen. Lassen Sie uns bald von Sich und den Ihrigen hören, liebe Frau Schumann! Wir sind hier außer meinem Bruder und seiner Frau ohne allen Umgang. Von den Londoner Bekannten werden wegen der bewußten Concerte allerlei Anstalten und Pläne besprochen. Mir scheint es für den kommenden Winter zu spät; aber Sie sollen jedenfalls davon hören wie’s auch ausfällt. Mit den herzlichsten Grüßen, und freundschaftlichem Dank für die lieben Geburtstags-Zeilen

Ihr Joseph Joachim

An meinem Geburtstag war ich bei der 2ten Aufführung des Händel-
Festivals, wo leider nur Bruchstücke, wenn auch gar herrliche, gemacht
wurden.

  Absender: Joachim, Joseph (773)
  Absendeort:
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
840ff

  Standort/Quelle:*) D-DÜhh
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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