23.01.2024

Briefe



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ID: 17440
Geschrieben am: Samstag 30.12.1865
 

Liebe Frau Schumann

Sie werden Sich mit Recht gewundert haben, daß Sie von Holland aus nichts von mir gehört haben,1 weil Sie eben nicht wissen konnten wie sehr ich dort angestrengt war: ich habe nicht weniger als 13 Mal in der kurzen Zeit dort öffentlich gespielt. Rechnen Sie nun Reisen und Proben und Correspondenz und Saiten-Aufziehen dazu, so verdiene ich ein wenig Ihre Nachsicht und bin also kein treuloser Freund, liebe Freundin! lch war nebenbei so heillos erkältet, daß ich schnurstraks nach Hause reisen wollte, und nur der Umstand, daß grade drei Gefälligkeits-Concerte in die Zeit fielen, veranlaßte mich auszuharren, worüber ich nach gethaner Arbeit froh bin. Ich habe aber nun, da ich noch etwas an den Folgen leide (Rheumatismus) meine Breslauer Fahrt aufgegeben; die Ruhewoche war <> mir dringend <> nöthig! Nach Elberfeld werde ich aber versprochenermaßen kommen, und da hoffe ich Sie denn am 8ten Morgens aufzusuchen. Ich spiele in Elberfeld am 6ten mit Orchester und am 7ten öffentliches Quartett. Sehr freue ich mich darauf die schöne neue Reisetasche umzuschnallen, die wirklich einem „lang gefühlten Bedürfniß“ abhilft. Wer verräth Ihnen nur immer die Wunschzettel aller Freunde?

Liebste Frau Schumann! Jo muß eben fort in’s Concert, freilich nur als Zuhörer – und ich benütze den freien Raum um Ihnen meinen herzlichsten Dank für Ihr schönes Geschenk5 zu sagen. Sie sind mir natürlich wieder zuvor gekommen – u. schrieben mir zuerst Worte des Dankes, welche ich wahrlich nicht verdiene. Es machte mir so viel Freude eine Kleinigkeit für Sie arbeiten zu können! Das Fest war bei uns – obwohl wir von allen Freunden fern, doch recht hübsch; hatte ich doch Jo, u. Putzi war auch recht lieb. Leider geht die schöne Zeit so rasch hin – u. die ernste steht vor der Thür! Gott weiß, was das neue Jahr bringt! Für uns wol viel Veränderung. Daß Jo u. ich Ihnen ein recht glückliches wünschen, können Sie wol denken! Hoffentlich findet sich in demselben wieder eine Zeit, wo wir Ihnen nahe sein werden! – Was Sie vom armen Julchen schreiben, erschreckte mich sehr – u. doch, glaube ich – ist eine solche Krankheit oft von großen Bedeutung für das weitere körperliche Befinden – u. von wohlthätigem Einflusse. Wie müssen Sie in Angst gewesen sein! – Jo sagte mir eben – er hätte Ihnen von Bargiel u. Brahms zu erzählen. – Daß Brahms wieder nicht kam, that mir besonders leid. Ich bin fest überzeugt, er kam meinetwegen nicht; nicht daß ich ihm im Wege stehe – so eitel bin ich nicht, dies zu glauben – sondern daß er meint – er nähme mir etwas vom Jo weg – u. ich ihm leid thäte. Wenn Brahms wüßte, wie gerne ich Jo seinen Freunden gönne – und wie lieb es mir ist, wenn er Ihnen u. Ihren gemeinsamen Freunden nahe bleibt – u. Sie oft sieht! Jo thut mir so leid, wenn er hier vergraben ist im langweiligen Hannover, an der Seite einer ungeschickten Hausfrau, welche ihm nur zu oft zeigt, wie unpraktisch u. schlecht sie eine Hauslichkeit zu verwalten versteht und auf and’rer Seite ihn [sic] als Künstlerin doch nicht genügen – viel weniger also anregen u. erheben kann! Daß ich wirklich dankbar bin, wenn Sie u. seine alten, ächten Freunde ihn [sic] immer nahe bleiben, u. mich als gar nicht vorhanden betrachten – mögen Sie, glauben, liebste Frau Schumann! Und so wäre es hübsch u. lieb gewesen, wenn Brahms sein Versprechen gehalten hätte – und ich hätte ihm, für jede Stunde, in die>der er mir meinen Jo genommen hätte, noch Dank gesagt! – Jo geht heute zum ersten Male in’s Abonnement-Concert. Die Atha-
lia u. eine Haydn’che [sic] Simphonie wird gemacht – auch – denken Sie, liebste Frau Schumann, wer mich eben beim Schreiben unterbricht?! Brahms kam eben! Ist das nicht köstlich! Ich freue mich sehr – obwohl er Morgen schon fort will! Nun Adieu – u. behalten Sie auch im neuen Jahr ein wenig lieb
Ihre treu ergebne
Ursi

Tausend Grüße an Marie!

  Absender: Joachim, Joseph (773)
  Absendeort:
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
870ff

  Standort/Quelle:*) D-DÜhh: 55.1998, Nr. 173
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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