Sonnabend, d. 19.
Liebe Frau Schumann
Es ist doch sehr zweifelhaft ob ich nach Düsseldorf<f> zum Fest reise, denn eben erhalte ich einen Brief von meinem Wiener Bruder, der sich für morgen zum Besuch anmeldet, und ich weiß nicht wie lange Fritz bleiben will. Der Musik wegen bedauere ich das Fernebleiben nicht so sehr, denn den Messias werde ich in Hamburg hören, die Armide wird nicht von der Lind gesungen, und das Schumann’sche Concert haben wir doch vielleicht schon feiner nuancirt gehört, als es bei so großen Massen möglich ist. Mich hätte es hauptsächlich hingezogen Sie, verehrte Freundin nach so vielen Monaten wiederzusprechen. Da bleibt mir aber der Trost, daß wir nach Creuznach gehen und eine Fahrt nach Baden leicht auszuführen sein wird, wo ich Sie dann zu Hause finde, wo ich Sie am allerliebsten sehe und denke. Ich habe viel nachzuholen! Die Hauptsache ist, daß sich meine Frau ganz prächtig erholt, und eigentlich schon gesund zu nennen ist. Aber es waren angstvolle Zeiten, namentlich die in London, wo mir die Wochen sich wie Monate dehnten, trotz aller Versicherungen von Besserung. Der unfreiwillige Aufenthalt in Hannover ist nun auch Schuld, daß wir wieder ganz bleiben! Stockhausen wird es Ihnen schon berichtet haben. Da ich vor meiner Abreise dem König als Grund meines Weigerns geltend gemacht hatte, daß ich nie wieder unter Graf Platen dienen würde, und er mir jetzt sagte „dieser wäre ja nicht mehr Intendant und ich könnte zur Vermeidung der Wiederholung von Mißhelligkeiten alles mit ihm direkt ordnen“, da er mir ferner vorschlug die Hannover’sche Concert-Saison in die Monate Oktober, November, Decbr und Januar zu verlegen und überhaupt alle Einwände mit gutem Willen seinerseits niederschlug, so mußte ich zuletzt nachgeben. Wer weiß, ob der Krieg nicht überhaupt jeden Umzug nach andern Städten im Herbst unmöglich macht – und so will ich denn an das herrliche Orchester und an den wundervollen Garten denken, den wir im Oktober beziehen, und auch daran, daß ein paar <> reizende Garten-Zimmer (heizbar!) für Sie und Marie immer bereit stehen, und will mich freuen statt zu grübeln wie’s anders sein könnte in Berlin oder Wien. Noch will ich aber gestehen, daß mir’s den vorigen Winter, als ich einmal im Concert hier zuhörte, doch ganz weh war die schönen Kräfte andern Händen und Gesinnungen anheim fallen zu sehen. – Wie große Freude haben Sie mir durch die Briefe wiederbereitet. Ich glaubte sie eigentlich verloren, da ich sie seitdem vergebens gesucht, was ich Ihnen aber gar nicht gestehen mochte; Sie waren mir stets so eine unantastbare Autorität in Ordnungssachen. Jetzt beweist ja freilich die Ausnahme nur die Regel! Wenn mein Bruder, wie er zu thun pflegt, nach Oberhausen Geschäfte wegen reist, so komme ich noch zum Montag Nachmittag und telegraphire dann eines Platzes wegen vorher. Das würde aber in <aller Frühe> morgen Abend schon geschehen. Auf alle Fälle bitte ich Goldschmidts, Hiller, Rudorff und vor allen Dingen Ihre Hausgenossen vielmals zu grüßen. Meine Frau schreibt Ihnen dieser Tage selbst; die Kinderchen sind wohl, und Putzi zeigt Tante Sumann an der Wand. Von
Herzen ergeben
Ihr
Joseph J.
Bendemanns vergessen Sie ja nicht herzlich zu grüßen.
Ich darf wohl um Besorgung der Zeilen an H v. Sybel bitten?
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