Basel. 4ten Novbr 1866 (bei Riggenbach’s)
Liebe Frau Schumann
Mir scheint’s unglaublich, daß es schon 14 Tage sind, daß wir von Ihnen schieden, unbegreiflicher noch fast, daß wir seitdem nicht an Sie geschrieben! Zu meiner Entschuldigung (vor mir selber, nicht Ihnen gegenüber, die Sie ja so nachsichtig gegen wirkliche Freunde sind!) kann ich sagen, daß ich 8 Mal in 7 verschiedenen Städten öffentlich gespielt, und dabei noch eine Menge Correspondenz etc zu besorgen hatte. Im Ganzen hat mir die Fahrt viel Freude bereitet, und wär’s nur, daß ich wirklich finde, wie Johannes mit jedem Mal freier und schöner spielt, so daß sein geniales Wesen allmälig auch <als> beim Spieler zum Durchbruch kömmt. Auch scheint er selbst Spaß am concertiren zu haben und so hoffe ich, daß er die Leute allmälig auch in Deutschland zwingen soll ihm freudig zu lauschen, statt zu bekritteln. Die beiden Quartette von ihm haben mich in Zürich und Aarau wieder recht erwärmt; namentlich hat das A-dur so viel Zartheit und Verklärung an vielen Stellen, daß man nur daran zu denken braucht, will man über einzelne Rücksichtlosigkeiten des Freundes hinweg kommen. Wer so schreibt, ist edel und gut! Wie schön muß es am Züricher- See im Sommer sein! Nur einen Tag lang kam die Sonne dort zum Durchbruch, und da genoß ich auf der Villa Wesendonck in fast sommerlicher Wärme den ganz südlichen Charakter dieser wunderbaren Landschaft. In Bern war’s nicht so schön wie vor 5 Jahren. Ich hoffe wir treffen einmal alle noch auf dem Rigi in einem schönen Herbst zusammen. Von Haus habe ich gute Nachrichten. – Wir spielen die Woche noch hier, am 10ten in Mühlhausen, am 11 geht’s nach Paris; herzlich ergeben
Ihr Joachim
Den lieben beiden Mädchen viele Grüße von mir. Herr Riggenbach
und Frau empfehlen sich angelegentlich.
– NB. Wie geht’s Lotto u. Kalliwoda?
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