Berlin, d. 11ten Septbr
Verehrte Freundin!
Heute werde ich von hier, wo ich schon drei Wochen lang seit der Rückkehr von England weilte, nochmals auf kurze Zeit fortreisen, zunächst um morgen den Geburtstag meines ältesten Sohnes in Pforta mit diesem zu verbringen. Ich wollte, daß ich dann übermorgen Ihnen persönlich meine herzlichen Gedanken und Glückwünsche aussprechen dürfte, kann aber <den> die Reise von Thüringen nach Frankfurt nicht fortsetzen, denn ich muß meine Töchter in München abholen um sie ihren englischen Schulvorsteherinnen zu bringen, die eben in Deutschland sind und sie nach London bringen werden. Auf diese Weise werde ich jetzt noch etwa 8 Tage mit den Töchtern sein können, die bislang <jetzt> mit der Mutter in Salzburg verbrachten. Wie zerissen war mir der Sommer! Ohne die Kinder, und die Gedanken doch bei ihnen. Ich hoffe am Schluß meiner Fahrt nach Frankfurt zu gelangen, gegen den 20ten, und dann mit Ihnen für Ihren Berliner Besuch alles Musik und Wohnung betreffende gründlich durchzusprechen. Wie sehr ich diesem verlangend entgegenblicke! Den Parzengesang habe ich mir für Sie von Wüllner zurück erobert, der ihn in den Wolff’schen Concerten mit Riedels Verein hier aufführen wollte, ihn mir aber schließlich ließ. Könnten wir Ihnen durch die Aufführung wirklich eine Freude machen! Wir wollen uns wenigstens alle Mühe geben. Ihren Geburtstag feiern Sie wohl von allen Lieben, groß und klein, umgeben, und ich hoffe daß er sich so heiter und harmonisch gestaltet wie Sie es verdienen, und wie es aus vollem Herzen Ihnen und den theueren Ihrigen wünscht
Ihr in Freundschaft und Verehrung ergebener
Joseph Joachim
|