23.01.2024

Briefe



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ID: 17536
Geschrieben am: Donnerstag 30.10.1890
 

d. 30. Octbr

Liebe Frau Schumann!

Vor allen Dingen muß ich meine große Freude darüber aussprechen, daß Sie sich so wohl fühlen und, wenn auch leider nur in Frankfurt wo ich nicht dabei bin, oeffentlich spielen wollen. Ich hoffe jedoch, daß wir bei meinem Besuch miteinander musiciren werden, am 24ten vielleicht? Ich komme am 20ten Novbr von Verviers an, und suche Sie dann am Nachmittag, gegen Abend, auf. Das Brahms’sche 5tett zu bringen wäre freilich herrlich; aber ich sehe leider keine Möglichkeit dazu, da ich schon am 5ten von hier abreise, und bis dahin es gewiß nicht studiren könnte. Sind doch die Noten nicht zur Stelle! Gestern erzählte mir Frau v. Herzogenberg, daß Br. Ihnen das Stück in Partitur geschickt habe. Ich frug ob er geschrieben es auch mir mitzutheilen, sie mußte aber darauf mit „Nein“ antworten, ungern, wie ich der lieben Frau anmerkte. So muß ich denn wohl schon warten, bis es gedruckt wird, was bei meinem warmen Interesse für Brahmssche Sachen mir nicht leicht <wird> ankommt. Aber ich bin auch nicht gerne indiskret. – Nun eine Frage, verehrte Freundin, die Sie aber recht ungenirt beantworten müssen. Der alte Avé Lallemant feiert am 28ten Novbr seine goldne Hochzeit (Gott gebe, daß er sie erlebt, er ist an einem Katarrh heftig leidend!) Da hat er sich von mir ein Geschenk erbeten, nämlich: ein Gruppenbild, von Schumann’s (Rob. u. Clara), Brahms, Stockhausen und mir. Ich war nun heute beim Photographen mit dem Doppelbild von Ihnen nach der Daguerrotypie, und den Portraitsder andern drei Personen. Der Photograph sagt nun, daß es viel besser wäre, wenn er dazu das Original haben könnte, weil meine Copie sehr blaß sei. Er garantirt daß es keinen Schaden nehmen werde, im Gegen-könne er die Platte dauerhafter machen, und er verpflichtet sich auch keinen Abdruck für sich zu <machen> nehmen. Ist es Ihnen nun überhaupt möglich, sich auf einige Tage von der kostbaren Reliquie zu trennen? Ich würde es verstehen, daß Sie „Nein“ sagen; aber der hübschen Sache zu lieb, wollte ich die Frage wenigstens nicht unterlassen. Könnten Sie sich dennoch entschließen, so möchte ich um sofortige Übersendung bitten, damit Sie das Bildchen noch vor meiner Abreise am 5ten zurück erhalten. Seien Sie mit den lieben Ihrigen von Herzen gegrüßt von
Joseph Joachim

Wir haben gestern Brahms’ erstes Quintett mit großer Liebe und großem Erfolg oeffentlich gespielt. Sie können sich vorstellen ob ich dabei an das 2te dachte, und mit welcher Empfindung!

  Absender: Joachim, Joseph (773)
  Absendeort:
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
1411ff

  Standort/Quelle:*) D-DÜhh
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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