23.01.2024

Briefe



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ID: 17544
Geschrieben am: Donnerstag 14.07.1892
 

Berlin, d. 14. Juli

Verehrte Freundin!

Daß Sie bei aller Sorge mir noch Grüße und gute Wünsche schicken, ist sehr lieb von Ihnen und findet ein dankbares Herz, das mögen Sie glauben! Ich hatte keine Ahnung, daß Eugenien’s Gesundheit in der letzten Zeit angegriffen war. Das arme liebe Mädchen! Jetzt geht es zum Glück ja wieder gut, und da hoffe ich daß die schöne Schweiz mit seiner herrlichen Luft Ihnen wirkliche Erholung und Kräftigung bringen werde. Auch ich werde wieder nach dem Engadin zur Kur in Tarasp geschickt, da ja meine Finger immer mahnen Vorsichtsmaßregeln zu gebrauchen; ich bin schon froh wenn’s nicht schlimmer wird, denn die Gicht wird man so leicht nicht los. Sie theilen mir, wie ich bitte und hoffe, wohl mit wohin Sie nach Interlaken gehen. Mir würde ein Herzenswunsch erfüllt könnte ich Sie in den Ferien wo treffen. Etwa am 1ten August reise ich mit meinem Ältesten, Johannes von hier nach Tarasp ab, wo ich dann bis Ende August bleibe. Dann möchte ich Herzogenberg in Heiden aufsuchen, den lieben tapfern, fleißigen Freund. Ich sollte und möchte wohl auch nach Gmunden (wo ich voriges Jahr ausblieb) und will jedenfalls mit meinen Mädchen ein paar Tage in München zubringen. Ob Marie dort engagirt wird kann sich erst im September entscheiden; sie hat ja nach Levi’s und Perfall’s Berichten entschiednen Erfolg gehabt. So hoffe ich denn sehr, daß Sie mit Josephe in einer Stadt wird wohnen können, die sich in München sehr wohl fühlt und fleißig vorwärts strebt. Rechten Kummer hat mir die schreiend ungerechte Behandlung gemacht, die mein 2ter Sohn Herman, der Lieutenant erfahren hat, an dem laut Ehrenrath nicht der leiseste Makel haftet, und dem gleichwohl befohlen ward seinen Abschied zu nehmen! Meine Bitte an den Kaiser um Zurücknahme des Befehls blieb leider unerfüllt. Bei meines Sohnes Liebe zum Soldatenberuf wird er nun suchen in eine andre Armee einzutreten. Jetzt ist er mit Paul in Salzburg, wird aber wohl später mit Frau v. Beulwitz nach Marienbad gehen, damit diese nicht ganz allein dort sein muß. Sie war in der letzten Zeit oft leidend. Neulich habe ich Sie zu einer wirklich sehr gelungenen Aufführung Bach’scher Werke in der Hochschule sehr stark herbeigewünscht – wir musiciren hier <wirklich> in aller Stille, aber gut glaube ich sagen zu dürfen. Die Sinfonie aus dem Weihnachtsoratorium klang zauberhaft mit den Oboen d’amore und da caccia! Lili Wach u. die Ihren, wie Ihre liebe Marie bitte ich von Herzen zu grüßen. Auch ich liebe Frau Wach besonders, aber Frau Benecke kaum minder. Leben Sie, theuere Freundin, so wohl wie es immer wünscht Ihr
J. J.

  Absender: Joachim, Joseph (773)
  Absendeort:
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
1442ff

  Standort/Quelle:*) D-DÜhh
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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