Liebe, verehrte Frau Schumann!
Mit meinem Finger geht es besser; ich glaube die 3 Wochen, welche am Freitag zu Ende gehen wenn ich nach Berlin zurückkehre, waren nicht umsonst hier verbracht. Ganz vorüber sind die Unbequemlichkeiten nicht; aber das Gute ist, daß ich weiß spielen schadet nicht: ich muß sogar recht viel üben auf des Doctors Wunsch, der mich im September nochmals auf 6 Wochen haben will. Wie schade, daß Sie von Ihrem herrlichen Spiel, über das ich auch von Andern hörte, müde werden! Gar sehnsüchtig warte ich auf Ihren Entschluß wegen Englands, der doch nun bald gefaßt werden muß. Noch hoffe ich auf Ihr Kommen; ich reise am 10ten Februar hin. Am 6ten kommt es nun doch noch zum Doppelconcert v. Brahms bei Bülow. Sowohl Brahms als Hausmann schienen es sehr zu wünschen, und Bülow war so artig, ja herzlich gegen mich, daß ich
nicht gut „Nein“ sagen konnte, umsomehr da der Grund, das Stück für unser Concert aufzuheben, wegfiel. Die Berliner haben ein Anrecht das neueste Werk von Brahms zu hören, wenigstens will ich kein Hinderniß sein. – Mit den lieben Röntgens bin ich sehr viel, d. h. hauptsächlich mit ihm, da sie noch immer sich nicht ganz erholt hat. Es geht ihr aber seit einigen Tagen besser; ich habe ihr schon 2 Mal vormusicirt.
Sie und die lieben Kinder freundschaftlichst grüßend
Joseph Joachim
Amstel Hotel, Amsterdam, d. 20. Jan.
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