23.01.2024

Briefe



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ID: 17603
Geschrieben am: Dienstag 21.07.1885
 

Liebe, verehrte Frau Schumann!

Vor allen Dingen sage ich Ihnen meinen herzlichen Dank für die ausführlichen Nachrichten aus Gastein, und für die treuen Wünsche, die mich sehr erfreuten. Wie Schade, daß Sie so früh nach dem Badeorte geschickt wurden, und noch bevor meine Ferien anfangen wieder fort mußten! Vor Mitte August werde ich keinesfalls nach Gastein kommen, wenn ich nun überhaupt hingehe. Fest steht für mich nur, daß ich am letzten Juli, bei Beginn der Schulferien, nach Schlesien reise um mit meinen beiden ältesten Söhnen 8 Tage im Riesengebirge herum zu wandern. Leider müssen
diese schon am 9ten August wieder in Schul-Pforta eintreffen. Sie waren vom 5ten bis zum 17ten d. M. bei mir, dann sind sie mit Paul und Frau v. Beulwitz nach Loewenberg in Schlesien gefahren, wo die Tochter der letzteren lebt, und wo die Luft wenigstens erfrischender ist als in Berlin, das jetzt schon manchmal recht unleidlich ist. Da sowohl Spitta als Rudorff invalide sind, so ist an ein Urlaubnehmen für mich gar nicht zu denken. Ohnehin bin ich ja schon 3 Monate des Jahres während der Schulzeit fort von hier, muß mich also bescheiden! Den beiden Freunden geht es übrigens Gottlob jetzt wieder besser; nur hat man bei Spitta, dessen Übel ein Herzleiden ist, immer Angst, da er weder in Bezug auf Arbeit noch auf Diät Beschränkungen dauernd erträgt. Rudorff ist in Kissingen, und wie mir Levy schreibt geht es ihm besser als zu Anfang seines Urlaubs, wo ihm die Badekur in Ilmenau <mehr> eher schadete als nützte. Ich denke Sie hören wohl direkt manchmal von ihm. Über meine eigenen Angelegenheiten kann ich leider nur unangenehmes berichten, und thue es nur weil Sie so lieb theilnehmend nach mir fragen. Noch schweben 2 Processe: der eine über 75000 Mark, welche meine Frau herausbezahlt haben will (als Erwerb ihrer Concert-Thätigkeit während unserer Ehe bis 78), und der andere weil sie mehr als 1200 Thaler jährlich für Marie u. Josephe beansprucht, welche das Gericht festgesetzt hat. Termin ist erst im October! – Meine <> Mädchen sind in Reichenhall, wohin die Mutter ihnen bald nachfolgen wird, welche einstweilen mit Rappoldi’s in Bädern concertirt. Sie können denken, wie all das mich oft trübe stimmt. – Die Kinder sind zum Glück lieb und herzlich, und entwickeln sich erfreulich. Die ältesten Söhne werden im Frühjahr ihr Abiturienten-Examen machen. Nachher will Johannes Philologie und Musik-Geschichte studiren, und Herman in den Militair-Dienst (als Artillerie-Avantageur)treten, in welchem Falle er nach 2 Jahren als Lieutenant Gage beziehen würde. Da er Feuer und Flamme für den Beruf ist so will ich nicht dagegen sein. Hoffentlich nimmt ihn eines der in Berlin stehenden Artillerie Regimenter an, was mir am liebsten wäre. –
Doch ich habe Sie nun schon lange genug dem herrlichen Wald entzogen, der in den ersten Tagen seinen ganzen Zauber geltend machen wird. Ich denke mir Sie eben <am> auf’m Salzberg angekommen, wo ich Sie bald einmal aufzusuchen mir vornehme; gegen Mitte August denke ich! Grüßen Sie Ihre liebe Marie, und auch Herzogenbergs, welche Sie gewiß bald sehen. Können Sie Zeit gewinnen, so schreiben Sie mir vor meiner Abreise von hier (d. 3<0>1ten) noch eine Zeile. Sie würden sehr beglücken
Ihren
getreu ergebnen
Joseph Joachim

Berlin, d. 21ten. Juli. 1885.

  Absender: Joachim, Joseph (773)
  Absendeort:
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
1285ff

  Standort/Quelle:*) D-DÜhh
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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