Frkfrt 31 Oktbr 85.
Meine liebste Frau Schumann
Durch Ihres Stiefbruders Ableben traf Sie ein neuer, gewiß empfindlich schwerer Verlust, den ich Ihnen aufrichtig nachfühle! – u. betrauere ich von Herzen für Sie diesen herben Schlag – Unser Leben ist so arm, daß man in der Hoffnung eines besseren Jenseits diejenigen beneiden könnte, – die das Irdische überstanden haben! u. abberufen wurden.
Ihre theure Gesundheit mag infolge dieser Prüfung auch wieder recht mitgenommen sein; kürzlich spielten Sie dennoch, in der Kammermusiksoirée, oder beabsichtigten dies, wie ich erfuhr. –
Meine Hofdame v. Ditfurth sollte letzthin meine innigsten Grüße Ihnen darbringen, u. wagte, bei Ihnen vorzufragen u traf es leider so unglücklich, Sie u. Ihre lieben Töchter nicht sprechen zu können –
Dürfte ich wohl ’mal selber kommen, mich nach Ihrem Ergehen persönlich zu erkundigen? so dankbar würde ich dafür sein. Vielleicht treffen wir vorher Vereinbarung über Zeit u Tag u. Stunde? wo Sie zuhause u. unbehindert, mir einen Moment freundlichen Empfanges gönnten.
Ihre Mitbewohnerin bin ich ja nun geworden seit etwa 4 Wochen, befand mich aber in einem solchen Wirrwarr des Um- u. Einzugs, daß ich bisher nicht [an] Besuche zu denken im Stande gewesen wäre; – u. noch immer siehts in meiner kleinen Behausung kraus u bunt genug aus – dazu kommt noch manches Ungemach, als Fortsetzung von vorigem Winter u. von nächster Seite, wo es am wenigsten glaubhaft erscheint. – Trotzdem möcht’ ich mich aus der Vereinsamung in sofern herausreißen, als ich Musik zu hören und den Conzerten hie u da beizuwohnen mich eigentl sehne, u. vielleicht Montag [od. Dienstag?] mit Brahms’s neuer, selbst dirigirter sinfonie den Anfang zu machen mich entschließe – doch eigenthümlich, daß derselbe mit Bülow reist?!
– Mit den beßten Empfehlungen Ihnen, theure Frau Schumann u. Ihren lieben Töchtern, nenne ich mich in unwandelbarer Anhänglichkeit die Ihrige
A v Hessen.
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