23.01.2024

Briefe



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ID: 17975
Geschrieben am: Samstag 26.08.1871
 

Düsseldorf 26 Aug. 1871.
Liebe Freundin,
Nachdem ich Dienstag u Mittwoch dem Beethovenfeste beigewohnt habe, drängt es mich Ihnen ein paar Worte zu senden u Ihnen zu sagen wie nicht blos ich, sondern Viele Sie vermißt haben bei dieser Gelegenheit, obwohl ich wahrlich weiß, dß das für Sie keinerlei Ersatz ist. Der Berichterstatter der Kölner Zeitung hat diesen Gefühlen wie mir scheint einen ganz guten Ausdruck gegeben, wenn ich auch das „poetische Empfinden“ des Herrn H. nicht nachempfunden habe. Denn meiner Empfindung nach hat er aus dem Pianoforte eine Glasharmonika zu machen verstanden, in Compositionen, die wir von Ihren seelenvollen Fingern gehört haben. Und dazu das Gesicht! die ausgewässerten Augen u das anmaßliche Unterkinn! das gehört nicht zu Beethoven’s sondern zu Charles Meyer’s Compositionen. – Es bleibt dies ein dunkler Fleck, den Sie , vielleicht mit Bedauern, aber nicht mit Ärger oder gar Kummer betrachten dürfen. Denn ein solcher Fehlschuß von Seiten des Comité trifft Sie nicht im Geringsten, sondern im Gegentheil die Faiseurs! –
Von der Aufführung Ihnen zu schreiben, das erspare ich Ihnen um so mehr als ich ja nur den letzten Abend u die Matinén gehört habe. Sie werden beßere u competentere Berichterstatter haben. Ich kann nur sagen, dß mir Alles sehr schön klang u dß mich dieser unendliche Reichthum wundervollster Gedanken nicht aus dem Erstaunen kommen ließ. Nach dem Urtheil Sachverständiger, auch solcher welche sonst an Hillers Aufführungen viel auszusetzen haben, soll er vortrefflich geleitet haben u die Aufführung der Missa u der 9t Symph. sollen nie besser gehört worden sein. Dafür flogen ihm aber auch die Bouquets tüchtig um den Kopf herum u konnten nur an Anzahl denen weichen, welche Fr. Joachim als Liebling des Publikum überschütteten u die beide Arme nicht halten konnten; sogar andre Jungfrauen trugen sie ihr mit vollen Armen nach u man konnte nur einen Finger von ihr beim Abschied erlangen. Das Fest war vom Wetter sehr begünstigt u so steht es wie ein überschwenglich reicher in berauschendem Taumel erstickender Traum hinter mir wie ihn nur die Musik hervorzurufen im Stande ist. Wir Zuhörer könnten förmlich Besorgniß haben dß der Art Feste nur in den Venusberg versetzten, Ihr Musiker habt freilich die Arbeit bei dem Genuß u so ists für Euch das Höchste u Schönste! Ich freute mich meinen ältesten u meinen jüngsten Sohn mit mir nehmen zu können; Ersterer hatte nie dergleichen Schwindel unter den herrlichsten Genüssen mitgemacht u wenn er in seiner ruhigen Weise auch keine besonderen Äußerungen gethan hat, so sah ich doch wie es ihn mitnahm. Meine liebe Frau war in Aachen beim Felix. Ich bedaure dß sie die wunderschöne Musik nicht gehört hat, aber es wäre in der That für sie nichts gewesen, zu viel Trouble , gar keine Ruhe u sehr starke Hitze! Felix geht’s übrigens G. s. D. viel, viel besser u wir dürfen hoffen, dß er in Aachen die wesentlichste Schwäche verlieren wird.
Und nun noch meinen herzlichsten Glückwunsch zum zweiten Enkelchen! Frl. Leser theilte mir das freudige Ereigniß gestern mit als ich ihr Bericht über meine Bonner Er[leb]nisse erstattete.
An Marie u die andern Kinder mei[nen] herzlichsten Gruß u Ihnen drücke ich in Gedanken die Hände!
Ihr
E Bendemann

  Absender: Bendemann, Eduard (174)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  SBE: II.6, S. 180-183

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 3,55
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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