23.01.2024

Briefe



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ID: 17995
Geschrieben am: Dienstag 25.07.1882
 

Düsseldorf den 25t Juli 82
Meine geliebte Clara!
Endlich komme ich dazu Sie in Gastein zu begrüßen, u mit tausend Dank für die letzten Worte aus Frankf. zu sagen, wie innig wir für Sie u Marie beste Kur u nachhaltigste Stärkung wünschen! – Vor 8 Tagen kehrten wir aus Naumburg u Loschwitz zurück; bald darauf hatte Frl. L. Ihren lieben Brief u wir [waren] froh Sie doch gut am Ziel angekommen zu wissen! – „Marie sei etwas übermüdet“ sagten Sie; – hoffentlich ist das längst vergessen, u der Kaiser dient allen dortigen Gästen als bestes Beispiel in Beziehung des Wohlbefinden’s, des heitren Verkehres, u wirklichen Genießen’s von Berg u Wald u Luft. Wir haben bei aller Trauer doch schöne Tage u Stunden mit den Kindern u Enkeln in Naumburg verlebt! – Hedwig war so dankbar daß wir Alle kamen, u sie uns Alle beherbergen konnte. (Nur Felix schlief im nahen Gasthof.) Zuerst war ich mit ihr u ihrem Fritzchen u der sehr prächtigen Schwester Gertrud Krüger allein, u wir konnten uns so recht über die letzten Leidenstage u über Alles was uns wichtig war in Ruhe aussprechen, auch manche schöne Briefe u Erinnerungen durchsehen, von denen wir Viele dann auch mit Felix u Helene u meinem Mann lasen! – Es ist in allem Schmerz ein großer, ja der höchste Trost, daß der theure Sohn nur in edelsten Gedanken u Bestrebungen sich beschäftigte, u dabei Alles so einfach, klar u doch so tief u richtig empfunden, aussprach. Sein Beruf war ihm vom 17t Jahre an so lieb; u er arbeitete u lebte mit ernstesten Eifer u Studium nur dafür! – Zum Glück hob ich Alle Briefe, von 1857 an, auf; er schrieb uns oft u ausführlich, u da wird die arme Hedwig später manche stille Stunde sich daran erbauen, wenn gleich es den Schmerz auch immer wieder erinnern wird! Aber sie ist eine fromme Seele, im besten Sinn, u der Dank geht immer bei ihr voran! – Sie wird Ihren Jungen bei aller Zärtlichkeit streng u ernst im Sinn des Vaters erziehen; u darum bleibt sie auch gern ruhig in Naumburg, was unserm armen Fried auch so gefiel! Es erleichterte ihm die letzten Tage Frau u Kind geborgen zu wissen am richtigen Ort, u daß es Hedwig Alles so gefiel war ihm täglich eine Freude! – Jetzt wohnt sie ganz selten hübsch in hoher Parterre-Wohnung mit großem Garten u reizender Aussicht auf die Berge u das Saalthal! – Zum Okt. bezieht sie eine kleinere Wohnung, die auch in hübschem Garten liegt bei einer Fr. v. Seebach, so daß sie unter gutem Schutz ist! – Felix u Helene sind mit ihren 3 lieben Kindern eine glückliche Familie an denen Allen man sich nur erquickt. Wir machten köstliche Spaziergänge zusammen, u bleibt Helene noch mit den Kindern 14 Tage dort – es ist fast wie auf dem Lande! – Felix ist schon wieder fleißig in Berlin! – In Loschwitz waren wir 4 Tage in herrlicher Luft! Dort ist es wirklich gar zu behaglich u das alte liebe goldene Paar so geistesfrisch, daß man immer staunt! – Mein Mann hatte im Schloß zu thun, u ich genoß natürlich die Gallerie u besuchte Frau Ehrhardt u. A.! – Cornelie Schunk kam öfter zu uns, denn wir lieben uns gegenseitig herzlich, u sie hat wärmste Theilnahme für unsre Kinder! – Hier fanden wir Alle Lieben wohl. Otto ist mit der Kur in Tarasp befriedigt. Rudolf auch in Lippspringe, aber er bleibt doch zart, u macht mir Sorgen! – Da habe ich wirklich zu viel von uns gesprochen! Verzeihung! – Und doch wissen Sie ja, wie es mich freute daß mein Mann Sie u die Kinder an dem Sonntag besuchen u Sie in Ruhe sprechen konnte! – Er mußte mir Alles ausführlich erzählen! – Hoffentlich gelingt es, eine gute wirklich tüchtige Direktionskraft an der Hoch’schen Schule zu finden; es wäre schrecklich wenn auch da Klüngelei u Protecktion herrschten! – Hübner nimmt seinen Abschied als Direktor der Gallerie, weil da ein gewisser Hofrath R. so lange schikanirte u bei Hofe sich herum bog, bis H. als Ehrenmann lieber den Abschied erbat! – Viel Unwissenheit, viel Hochmuth werden in Dresden möglicher Weise die herrlichen Sammlungen vernachlässigen, statt sie zu verbessern u bestens zu erhalten, wie es grade durch Hübner in seltener Kenntniß u treuster Verwaltung geschah! – Trotzdem er 76 Jahr alt, ist er so frisch, daß er vorläufig noch ruhig Direktor bleiben konnte, u man hätte in fairer u gebildeter Weise dann um seinen Rath für einen Nachfolger bitten sollen! – Doch bitte, dies ist nur für Sie, als treue alte u geliebteste Freundin! – Mein Mann fand Ihren armen Ferdinand recht gut u wohl aussehend! Wie benimmt sich denn jetzt die unselige Frau? Immer hoffe ich, daß sie aus ihrem Taumel erwachen soll u Liebe für Mann u Kinder endlich empfindet. – Frl. Leser ist recht munter u wir sehen uns sehr oft! – Aber die gute Fr. Apel ist still u melancholisch u reist schon morgen wieder ab. Frau Matthes hat eine 2t liebe Nichte, geb. Carstanjen, in Duisburg im Wochenbett verloren u war auch sehr traurig, u daher nicht so erholt von der Kur in Pyrmont. Steinmetz Allen geht es gut; ich sah schon Alle wieder! – Nun ade! Gott führe Sie u Alle ihre Lieben, meine theure Clara! –
Mit innigem Kuß Ihre alte L. Bendemann

  Absender: Bendemann, Lida (176)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  SBE: II.6, S. 298-301

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 4,186
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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