23.01.2024

Briefe



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ID: 18029
Geschrieben am: Freitag 20.08.1886
 

Ddf 20.8.86
Liebste Freundin!
Sie wünschen von mir einen Rath in der Briefangelegenheit Haertels[.]
Mir scheint, daß Sie zweifelhaft sind, ob Briefe Ihres l. Mannes aus Endenich veröffentlicht werden sollen, welche von Ihnen ausgehen [Sie schreiben „als von mir ausgehend.]“ Ich meine, daß diese Briefe veröffentlicht werden könnten wenn sie nichts, auch nicht das Geringste, enthielten was an den Krankheitszustand erinnert, um so mehr, als sie an Brahms gerichtet sind; also doch als von ihm ausgehend angesehen werden würden. Freilich ist die Entscheidung lediglich eine Gefühlssache für Sie. Ohne die Briefe zu kennen, kann ich nur ganz im Allgemeinen eine Meinung haben. Sie werden es schon recht machen!
Ihr l. Brief an Lida hat uns sehr erfreut, wenn auch leider Ihre Gesundheit zu wünschen übrig läßt u wir dies beklagen. Ich bedaure Sie namentlich um der Schmerzen! Ich bin in der bevorzugten Lage, trotz einiger Mangelhaftigkeiten, an Schmerzen nie zu leiden. Die würden mir recht unangenehm sein! Lida ist Gott s. D. sehr frisch u munter u auch mir geht’s gut, ich kann fleißig sein, wenn auch nicht mehr von Morgens früh bis Abds spät, wie sonst. Ich habe einen überaus glänzenden Erfolg mit meinem Bildniß Camphausens gehabt. Dieser ist erklärlich, weil C. so bekannt war, wie (mit Erlaubniß) ein bunter Hund u nun plötzlich in [Mitten] einer Ausstellung sehr viele seiner Werke dem Publiko wieder vor Augen u sein unverkennbares Antlitz wieder in Erinnerung gebracht wurde. Das ist nur hier möglich. An einem andern Orte hätte man es vielleicht gelobt, aber nicht so glänzend. Immerhin nimmt man den Weihrauch gern in die Nase auf – nur muß er nicht aus den Zeitungen aufwirbeln, denn diese bringen von unserer Kunst nur Unverständiges u Dummes. Dß Marie in Bayreuth war hat uns sehr gefreut u interessiert. Ich glaube dß ich ähnlich wie sie empfinden würde. Ueber W’s Musik kann ich ja nicht urtheilen, aber wohl sagen, dß ich nichts Originelles darin finde – liegt es vielleicht in der Instrumentation? – am Wenigsten aber begreifen kann, wie man sie neben die der großen Meister stellen kann. Das heißt doch das Große nicht erkennen u das Kleine oder Kleinere lieben. Im Ganzen im Zusammenwirken der betheiligten Künste [oder] Kunstgriffe wird wohl etwas Anziehendes sein u Bestechendes. Aber dß W. aus dem Drama eine Oper u [aus] der Oper ein Drama machen will, das ist, m. E. ein vergebl. Bemühen eine Unvernunft, welche sich am Kunstwerk rächen muß. Ein Begeisterter sagte neulich in der Köln. Zeitg: „wer nicht Schopenhauersche Philosophie versteht u es [nicht] wagt in die Ewigkeit des Nichts hinabzusteigen, kann die zwei sehr langen Akte des Tristan u Isolde u das ¾ St. dauernde Duett derselben nicht verstehen u würdigen. Ihnen wird die häufige Wiederholung von „an meine Brust, o! welche Lust“ lieber sein.“ Armer Beethoven! Die Herausgabe Ihrer Schumannschen Briefe hat fleißig Nachfolger gefunden Reisebriefe v C. M. v Weber, aus Wien: erste Aufführung der Euryanthe, u London: dergl. der Oberon, herausgegeben von seinem Enkel. Recht anziehend u liebenswürdig. Ferner Briefe v Jul. Schnorr v. Carolsfeld aus Italien v J. 1816–24. Vielleicht mehr für Maler anziehend. Wir haben schlecht Wetter gehabt wie Sie. Heute zum ersten Mal ein Sommertag. Zu Hause ist Alles erträglich, aber im Gebirge?! In ungefähr 8 Tagen wollen wir nach Berlin Helenen u die Ausstellung sehen, obgl ich auf Letztere eigentl. nicht brenne, zu meiner Schande muß ich das gestehen. Mit wenig Ausnahmen wird das Neue u Neueste mir vielleicht Bewunderung aber schwerlich Begeisterung einflößen. Das Ganze soll so schön sein! (Bayreuth??) Die älteren Bilder aus unserer [u der Uebrigen] Jugend werden vielleicht Katzenjammer hervorrufen, entweder darüber, dß wir damals es nicht besser [gemacht] oder jetzt nicht weiter gebracht haben. Doch [sind] meine Worte vielleicht quälerisch u es wird etwas andres kommen als ich denke. Wenns Wetter nur leidlich bleibt.
Und somit nehmen Sie vorlieb u sein Sie u die beiden Mädchen herzlichst gegrüßt.
Ihr
EB.

Hier nur noch mein adio mit wärmsten Grüßen f. Marie u Eug! – Daß die neuen Freunde auch Ihnen nahe treten ist schön! – Dem alten H. Euler geht es besser, u so reist Otto auch noch etwas in den Schwarzwald mit d. Kindern! – Er hat sehr eine Erholung nöthig. –
Sie im Geiste umarmend immer Ihre alte
L. B.

  Absender: Bendemann, Eduard (174)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  SBE: II.6, S. 333-336

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 5,49
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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