Lichtenthal bei Baden-B.
8. Oct. 89.
Hochverehrte Frau!
Wie sehr, wie innig habe ich Ihnen zu danken! Könnte ich es Ihnen doch nur so recht sagen, wie unbeschreiblich ich mich freue, das wunder, wunderschöne Bild zu besitzen, es von Ihnen selbst, mit Worten Ihrer Hand empfangen zu haben! Es ist wirklich zu freundlich von Ihnen, mich so bedacht zu haben und Ihre Güte rührt und beschämt mich ganz. Aber verschwendet ist sie nicht, verehrte Frau. Sie haben mich hoch beglückt; ich |2| war gestern wirklich ganz außer mir vor Freude und Überraschung; ich flog nur so die Treppe hinauf, um meinem Manne gleich mein Glück zu verkünden. So lange ich lebe soll das Bild mit den Zeilen von Ihrer Hand mir ein liebes, theures Andenken sein; und wenn ich mich in seinen Anblick vertiefe darf ich denken, daß Sie Ein Mal wirklich vor mir gestanden und mich angeblickt haben, daß Ihre Hand Einen kurzen Augenblick in der meinen geruht und daß ich sie küssen durfte! Mein Böhmer empfiehlt sich Ihnen und dankt Ihnen mit |3| mir tausend Mal. Und so viele gute Wünsche senden wir Ihnen für Ihr Wohlergehen. Möchte doch Ihr Herr Sohn bald wieder gesunden. Gleich heute schreibe ich nach Halle, um meinen musikalischen Freundinnen zu erzählen, welche Freude ich erlebt. Ich bin in dem alten Halle aufgewachsen, wo Robert Franz der Erwecker u. Mittelpunkt eines so edlen musicalischen Lebens war. Wie weit liegt das zurück. Aber in einem stillen, zurückgezogenen Leben hat man Zeit, alle schönen Erinnerungen zu pflegen und |4| lebendig zu erhalten. So wird auch die kurze Begegnung, für die ich Ihnen nie genug danken kann, mir leuchtend im Herzen stehen bleiben.
In dankbarer, zärtlicher Verehrung
Ihre
treue Hedwig Boehmer.
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