Wien VI. Eszterhazygasse 39 30/9 89
Liebe verehrte Frau Schumann,
wenn ich in den letzten Jahren es unterlassen habe, meine gewohnten Geburtstagswünsche an Sie abzusenden, so lag das daran, daß ich durch meine Amerika Reisen mehr als sonst in Anspruch genommen war um die Zeit des Festes, u. so manches unterlassen mußte, das ich früher nicht versäumt hatte. Dieß Jahr brachte aber einen so wichtigen Lebens Abschnitt für Sie, den ich allerdings erst später aus der Zeitung erfuhr, |2| daß ich, wenn auch recht nachträglich, es doch nicht unterlassen will, meine allerherzlichsten Wünsche, denen Ihrer vielen Verehrerinnen beizufügen. Ich hatte vorigen Juni wo ich 16 Tage in Wiesbaden war, recht große Sehnsucht, Einmal nach Frankfurt hinüber zu fahren, um Sie u. Ihre lieben Kinder wiederzusehen, bevor ich mich in mein Nest hier zurückziehe, von dem ich nicht so leicht wieder hinaus kommen dürfte in die Gegend v. Frankfurt; allein trotz allem guten Willen hinüber zu fahren, fand ich doch keine |3| Möglichkeit mich auf einen halben Tag frei zu machen, so war ich mit Proben, Singen u. studieren dort in Anspruch genomen [sic], u. als ich fertig war mit der Tonkünstler Versammlung, war ich durch die Hitze u. den Trubel so kaput, daß ich nur trachten mußte, in meine Sommerfrische zu kommen, da ich fürchtete, krank zu werden, ich hatte einen Hitz Ausschlag der mich so sehr angriff. Von jetzt ab, will ich hier in Wien bleiben, mit meinen beiden unverheirateten Schwestern zusammen, mich aus der Öffentlichkeit zurück ziehen u. noch ein bischen Gesangs Unterricht geben. Die |4| Amerika Reisen haben mir ein Kapital gebracht das uns alle drei für das Nöthigste versorgt, u. ich sehne mich nach einer geordneten Häuslichkeit, nachdem ich 7 Jahre nur im Koffer gelebt habe, so daß ich vorziehe eine einfachere aber ruhigere Existens, mit meinen Angehörigen zusammen zu haben. Vorigen Oktober schon räumte ich meine Wohnung in Berlin, da ich aber den ganzen Winter noch reiste, so komme ich erst jetzt dazu mich hier
einzurichten, u. hatten wir den ganzen September, seit wir aus der Ramsau zurück |5| sind, so furchtbar viel damit zu thun, daß ich nicht eher zum Schreiben kam. Bevor ich diese Zeilen schließe möchte ich mir auch noch eine Anfrage erlauben, die Sie mir hoffentlich nicht übel nehmen, u. über die mir vielleicht Fl. Marie od. Eugenie pr Karte Auskunft gibt. Ich habe nähmlich nach Fr. Eckerts Tode, einiges von der Auktion gekauft, u. A. auch ein Bild v. Schumann, das immer im Salon hing; es ist ein zweiter gleicher, aber leerer Rahmen da, der aber so viel ich mich erinnere, nie Ihr Bild enthalten hat; ich aber |6| würde es mir sehr gern dazu aufmachen, habe mich jedoch vergeblich bis jetzt erkundigt um ein dem Schumannschen, entsprechendes Bild, es steht drauf: Eftner Daguerotypi – Tegner u. Kittendorf litogr. Institut. – Ich habe wohl eine Kabinet Fotografie von Ihnen, u. eine kleinere, die ich immer auf meinem Schreibtisch stehen hatte, aber keine paßt mir zur Litografie, daher ich Sie nun mit diesem Anliegen noch belästige!!! Wenn ich nur weiß ob, u. wo <es>sie existirt, verschreibe ich es mir dann schon! – Hoffend, daß es Ihnen Allen recht wohl ergeht, u. Sie sich meiner noch in Güte erinnern, bin ich liebe Frau Schumann, mit den allerherzlichsten Grüßen an Sie Alle, Ihre Sie aufrichtig verehrende
ergebenste M Brandt
