23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 18253
Geschrieben am: Dienstag 17.10.1865
 

Monrepos, d. 17. Oct. 65
Meine liebe Frau Schumann!
Ich hoffe, Sie werden es verzeihen, dß ich Ihren lieben, freundlichen Brief nicht gleich beantwortete. Aber leider wurde Mama krank an der Gelbsucht; u da war meine ganze Zeit zwischen ihrer Pflege u ihrer Correspondenz getheilt. Sie ist nun wieder auf u besser, u nun komme ich zu Ihnen, um Ihnen von ganzem Herzen zu danken für Ihr zu liebes Anerbieten! Es wird Sie wohl nicht wundern, dß ich hier mit beiden Händen zugreife, wo mir dies zu Theil werden soll u dß ich, trotz dem Opfer Ihrer Zeit u Kraft darauf eingehe. Dß Sie mir einen Flügel bestellen u aussuchen wollen, macht mich so sicher u glücklich, denn nun weiß ich, dß ich wieder gern spielen werde. Für Jemand, der kraftlos ist; wie ich, oder richtiger, wie meine Finger, ist es fast unmöglich, auf einem schlechten Klavier zu spielen; denn der Genuß ist nicht im Verhältniß zur Anstrengung die es kostet.
O wenn Sie wüßten, welche Kämpfe mir die Musik bereitet hat, als ich so leidenschaftlich u ehrgeizig war; u jetzt erfüllt sie mich noch oft mit Trauer u Wehmuth, da ich sie so gut wie aufgegeben habe. Ich nehme öfters Anläufe zum Spielen, aber jedesmal sinken meine Hände muthlos herunter, wenn es so schlecht, so gar nichts ist. Ich weiß sehr gut, wovon man alt wird: wenn man um einige Illusionen ärmer geworden ist; ich finde, das macht älter als mancher Kummer.
Aber welch’ herzerfreuenden Gedanken haben Sie mir hingeworfen, mit den Conzerten in Frankfurt! Als ich es für mich las, zitterte alles in mir, u als ich es Mama sagte, antwortete sie lächelnd: „das ließe sich ja sehr gut machen!“ Ich gebe meiner Freude noch gar nicht so sehr Raum, weil ich von klein auf gelernt habe, niemals Pläne zu machen, u worauf man sich zu sehr freut, das muß man sich meistens versagen – denken sie [sic] nur, was eine solche Aussicht für Jemand sagen will, der seit Petersburg (bis auf das Musikfest in Cöln) vollständig im Trocknen liegt, u nicht einen Ton gehört hat, außer das eigene, unleidliche Geklimper. Das ist etwas, das Sie sich gar nicht denken können; denn das ist noch nie da gewesen, indem Ihr eigenes Spiel Ihnen vieles ersetzt. – Nun lassen Sie mich Ihnen noch einmal von ganzer Seele danken, auf Wiedersehn, wenigstens in Frankfurt! In treuer, dankbarer Liebe
Ihre Elisabeth Wied

  Absender: Elisabeth (Pseudonym: Carmen Sylva), Prinzessin zu Wied (418)
  Absendeort: Monrepos
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 12
Briefwechsel Clara Schumanns mit Landgräfin Anna von Hessen, Marie von Oriola und anderen Angehörigen deutscher Adelshäuser / Editionsleitung: Thomas Synofzik, Michael Heinemann / Herausgeber: Annegret Rosenmüller / Köln: Verlag Dohr / Erschienen: 2015
ISBN: 978-3-86846-023-0
340f.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 2,156
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



Wir verwenden Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten (Mehr Informationen).
Wenn Sie auf unserer Seite weitersurfen, stimmen Sie bitte der Cookie-Nutzung zu. Ich stimme zu.