23.01.2024

Briefe



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ID: 18264
Geschrieben am: Sonntag 18.10.1874
 

Utrecht, den 18/10 74.
Hochverehrte, liebe Frau Schumann!
Die Zeilen meines Mannes kann ich nicht fortschicken, ohne auch noch selbst ein paar Worte hinzuzufügen. Längst wollte ich Ihnen danken für die herrlichen Stunden, die wir mit Ihnen in Engelberg verleben durften, für alle Liebe und Freundlichkeit, mit der Sie uns entgegengekommen sind. Sie wissen nicht, liebe Frau Schumann, welch ein Genuß es für uns war, wenige Stunden mit Ihnen und den Ihrigen dort zusammen zu sein, und es wurde uns schwerer, als Sie |2| sich vielleicht denken können, uns von dem lieben Kreise zu trennen. Aber solche Geist- und Herzerquickenden Stunden kann man auch nur bei Ihnen, liebe Frau Schumann, finden; wir wünschten uns beide, immer mit Ihnen sein zu können, um recht viel zu gewinnen und lernen. Aber wir wollen uns begnügen und dankbar sein für die reichen, herrlichen Erinnerungen an das liebe, wenn auch kurze Zusammensein. Gar zu gern möchten wir Weihnachten nach Berlin reisen, aber es ist doch sehr zweifelhaft, ob wir überhaupt denn zur Reise kommen und nicht hier doch die Ferien zubringen werden. Aber ich wünschte mir so sehr, bei Ihnen einige Zeit zu studiren und würde nur zu froh sein, wenn ich einmal |3| wieder Ihren Rath und Ihr offenes Urtheil hören könnte. Glauben Sie nur, daß ich selbst am meisten empfinde, wie viel mir fehlt, und daß ich diese Lükke durch Hülfe keines „Capellmeisters“ ausfüllen kann, davon bin ich auch überzeugt! Die volle Befriedigung, die ich in Ihrer herrlichen Kunst fand, hat mir auch kein anderes Clavierspiel gewährt. Im Umgang mit Ihnen, liebe Frau Schumann, glaube ich auch nur das erreichen zu können, was ich so sehr entbehre. Aber ob ich auf das Glück jemals hoffen kann, ist doch jetzt fraglich wo ich auch andere Pflichten habe, die doch auch mit ganzer Liebe und Hingebung erfüllt sein müssen. Vorläufig hegen wir den innigsten Wunsch, Sie hier im ersten Concert zu hören. |4| Möchten Sie jetzt wieder hergestellt und es Ihnen möglich sein zu kommen; das wäre herrlich! – Es würde mir zu leid thun, wenn Sie wie Sie im Sommer fürchteten, den ganzen Winter noch nicht wieder öffentlich auftreten würden. Es wäre ja eine furchtbare Entbehrung für Sie und ebenso sehr für die übrigen Menschen. Falls es Ihnen unmöglich ist, unser Concert zu verherrlichen, und Nathalie anstatt Ihrer kommt, dann darf ich sie wohl bitten bei uns zu wohnen. Wollen Sie sie fragen, ob sie es thun will? In Arnheim, wo ich keine näheren Bekannte habe, könnte sie aber gewiß bei Sternberg’s logiren, Frl. St. sahen Sie gewiß bei Joachim’s. Und nun noch die herzlichsten Grüße für Sie, und auch Marie und Eugenie.
Immer
Ihre dankbare
Emma E.


  Absender: Engelmann, Emma, geb. Brandes, Emma (422)
  Absendeort: Utrecht
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort: Berlin
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 13
Robert und Clara Schumann im Briefwechsel mit den Familien Verhulst, Kufferath/Speyer und Engelmann sowie anderen Korrespondenten in Belgien und den Niederlanden / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Eva Katharina Klein, Anselm Eber und Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2024
ISBN: 978-3-86846-024-7
539f.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 3,162
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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