23.01.2024

Briefe



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ID: 18268
Geschrieben am: Montag 20.03.1876
 

Utrecht, den 20/3 1876.
Liebe, verehrte Frau Schumann!
Ihre lieben Zeilen aus Brüssel haben mich wirklich gerührt u. beschämt; Sie wollen uns danken, wo wir doch Ihnen nur zu unendlichem Dank verpflichtet sind, und die Schuld so groß ist, daß wir uns Ihnen gegenüber nie frei davon fühlen können. Welche herrlichen Tage haben Sie uns geschenkt, und wie glücklich und dankbar bin ich, daß ich die Stunden Ihrer lieben Anwesenheit noch so genießen konnte. Welche schönen, unvergeßlichen Genüsse haben wir durch Sie gehabt, und wie müssen wir Ihnen in’s Besondere |2| danken, daß Sie uns die meiste Zeit Ihres Aufenthalts widmeten und so freundlich in unser Häuschen einkehrten. Wohl that es mir leid daß ich Sie nicht festlicher empfangen konnte, aber Sie sind so einzig gut und nachsichtig, liebe Frau Schumann, daß ich mich wegen der mangelhaften Bewirthung wohl kaum bei Ihnen zu entschuldigen brauche. Haben Sie vielen Dank, daß Sie gekommen sind, und auch im Namen von ganz Utrecht kann ich das sagen, denn während dieser acht Tage haben wir immer nur noch von dem Concert reden hören – die Zuhörer sind noch voller Begeisterung und mit Dank erfüllt, daß Sie gerade unser Städtchen so glücklich gemacht haben. –
Wie leid thut es mir, daß Sie |3| in Ihren Reiseplänen so gestört wurden, und ich fürchte, bei dem furchtbaren Sturm werden Sie fast die ganze Woche noch in Brüssel haben zubringen müssen; wir haben so viel Ihrer gedacht und Sie wegen dieses Mißgeschicks so bedauert. Wie unglücklich werden die guten Burnand’s gewesen sein, wenn Sie das erste Concert absagen mußten und dadurch verspätet bei ihnen eintrafen. Hoffentlich haben Sie jetzt die Reise gut überstanden! –
Und nun habe ich für meine eigene Person noch eine solche Fracht von Dankespflichten auf dem Herzen, daß ich gar nicht weiß, wie ich mich ihrer entledigen soll. Welche Ueberraschung haben Sie mir mit dem reizenden, fast fürstlichen Schlafrock |4| gemacht! Gestern Abend traf die Kiste ein, und mit welchen gemischten Gefühlen ging ich daran sie zu öffnen! Ich wußte bald nicht, wie ich meine übersprudelnde Freude bemeistern sollte, und bald kam ich mir so unwürdig vor, eine solche Gabe von Ihnen anzunehmen. Es beschämt mich wirklich, liebe Frau Schumann, daß Sie mich so beschenkt haben. Daß Sie mir damit die schwere, unangenehme Zeit verschönern werden, das weiß ich jetzt schon, und ich kann Ihnen für Ihre reizende Idee der herzlichen mütterlichen Fürsorge nicht genug danken. Nur hätten Sie keinen so eleganten und luxuriösen Schlafrock auswählen sollen. Er ist viel zu schön für mich, ich finde ihn so prachtvoll, daß ich gar nicht wagen mag ihn anzuziehen. |5| Ich muß Ihnen offen bekennen, daß ich noch nie ein Kleid mit seidenem Unterfutter gehabt habe; ich erstaunte daher nicht wenig, als ich Taille u. Aermel mit schwerem Seidenzeug von innen sah, und überhaupt ist er so elegant, daß Sie mich viel zu sehr damit verwöhnen. Aber ich werde ihn auch nur für Besuche auf der Wochenstube benutzen und für diese Gelegenheiten bewahren. Wie werde ich mich freuen, wenn ich Alles erst glücklich hinter mir habe und ihn zum ersten Mal einweihen kann. Hoffentlich bin ich dann wieder so wohl, daß ich Ihnen dieses Fest selbst melden und Ihnen sagen kann, wie froh ich mich in dieser warmen und sanften Umhüllung fühle. –
Mein Mann sendet Ihnen die herzlichsten Grüße und ist voll |6| des Dankes für Sie; nur ist er böse, daß Sie mich so verwöhnen und mich durch solch Geschenk zu einem Prinzeßchen machen! Viele Grüße an Marie und die lieben Burnand’s; möchte es doch mit den Leiden der armen Miss B. etwas besser gehen! Wenn Frl. Marie einmal einige Augenblicke erübrigen kann, dann würden wir ihr besonders danken, wenn sie uns Ihre glückliche Ankunft in London wissen ließe.
In verehrungsvoller, dankbarer Gesinnung
Ihre
Emma E.

  Absender: Engelmann, Emma, geb. Brandes, Emma (422)
  Absendeort: Utrecht
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort: London
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 13
Robert und Clara Schumann im Briefwechsel mit den Familien Verhulst, Kufferath/Speyer und Engelmann sowie anderen Korrespondenten in Belgien und den Niederlanden / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Eva Katharina Klein, Anselm Eber und Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2024
ISBN: 978-3-86846-024-7
566ff.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 3,194
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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