Utrecht 21 Sept. 1891.
Liebe, verehrte Frau Schumann!
Aufs Herzlichste betrüben uns Ihre Mittheilungen über Ihr Befinden. Es ist freilich kein Wunder, wenn dieser Sommer mit Allem was er uns, und Ihnen noch außerdem im Besonderen, brachte, keine Erquickung u. Stärkung hinterließ. Ich habe aber das beste Zutrauen in Ihre so außerordentliche Natur, daß sie auch diese Störung überwinden wird. Bedenken Sie, was Sie bis jetzt sich körperlich und geistig zumutheten, |2| und vergleichen Sie das mit dem, was gesunde Frauen Ihrer Jahre durchschnittlich leisten und aushalten! Ihre Freunde haben immer schon in staunender Bewunderung den Kopf geschüttelt, wenn sie Ihre so umfangreiche, in vieler Hinsicht so aufreibende Thätigkeit betrachteten. Zürnen Sie der Natur nicht, wenn sie sich einmal zu sträuben anfängt, die verlangten Dienste zu leisten. Wie viele müssen die gleiche Erfahrung machen, ehe sie noch den Mittag ihres Lebens erreicht haben! Und diese haben dann nicht den Trost, der in solchem Falle wohl die beste Geduldsquelle ist, mehr gethan zu haben, als nach dem natür-|3|lichen Laufe der Dinge zu erwarten war, von ihnen gehofft werden mußte. Ihre Vergangenheit, Ihr bisheriges Schaffen birgt eine lange Zukunft fruchtbarsten Fortwirkens in sich, auch wenn Sie sich von nun an Muße gönnen sollten. Lassen Sie aber auch die Hoffnung auf baldige, wenn auch vielleicht noch eingeschränkte, Wiederaufnahme Ihrer alten Thätigkeit nicht sinken! Unter der vortrefflichen Fürsorge der Ihrigen, bei gehöriger körperlicher Ruhe werden die Nerven ihre Leistungsfähigkeit wiederfinden. Möchten Ihnen nur neue traurige Gemüthsbewegungen erspart bleiben. Gegen diese hilft keine Medicin außer der Arbeit. – Mit Emma |4| gehts langsam vorwärts. Wir werden aber beim Uebergang in den Winter sehr vorsichtig sein müssen. – Ihre Vermuthung betreffs meiner kann ich glücklicherweise bestätigen. Unter anhaltendem, mäßigen Eisengebrauch bleibe ich von meinem alten Leiden so gut wie ganz verschont, arbeite wieder fast wie früher (etwas vorsichtiger allerdings) u. bin entschieden in jeder Beziehung seit Februar viel leistungsfähiger geworden. Es ist wirklich eine zweite Jugend, die mir geschenkt wird! Da ist es freilich keine Kunst froh u. lebensmuthig zu sein. – Emma schickt Ihnen u. Ihren Frl. Töchtern die herzlichsten Grüße u. besten Wünsche. Möchten wir recht bald durch die Nachricht erfreut werden, daß Sie sich wieder wohl fühlen.
In treuer Ergebenheit allezeit
Ihr
ThW Engelmann.
Das Geburtstagstelegramm hatte ich, in der Voraussetzung daß sie wie sonst den 13ten in Baden-Baden <>zubringen würden, dahin u. nicht nach Frankfurt gesandt. So erklärt sichs wohl, daß Sie es nicht erhielten.
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