23.01.2024

Briefe



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ID: 18307
Geschrieben am: Dienstag 29.12.1885
 

Wien 29 Decbr 85.
Theuerste, hochverehrte Frau!
Auch ich darf kommen und Ihnen verehrteste Frau sagen, daß ich, wie immer, so auch beim Jahreswechsel Ihrer mit der innigsten Verehrung, herzlichster Liebe und den treuesten Wünschen für Ihr mir so überaus werthes Wohlergehn gedenke.
Die schönen Hoffnungen die hie und da erweckt wurden „Clara Schumann kommt nach Wien“ sind wieder alle trügerisch gewesen – es war uns nicht beschieden! Glauben Sie mir verehrteste Frau, daß ich unendlich glücklich wäre wenn ich einmal wieder Ihre liebe |2| Hand küßen dürfte und „ein Stündchen des Himmels“ genießen dürfte, während Sie spielen.
Mein Schreiben soll Ihnen keine Zeit kosten aber von zwei rechten Schumann-Schwärmern muß ich Ihnen doch in Kürze erzählen. Beides Techniker im Alter von 30 bis 35 Jahren, beide glühende Verehrer Ihres Gemahl’s. Jeder von ihnen nimmt es geradezu übel, wenn man mit ihm über etwas Anderes redet als über us. Robert Schumann. Der Eine, einer us. Ingenieure im Geschäft hat sich in seinen früheren Jahren schon Alles abgespart um Besitzer der gesammten Schumann’schen Werke zu sein, er spielt gut Clavier als Dilettant; jetzt hat er vor ein paar Wochen seinen ersten |3| Sohn bekommen; natürlich heißt er Robert! Zu Weihnachten hat dieser kl. Robert als Hauptgeschenk die photograph. Vervielfältigung eines Schumann’schen Autograph’s (Männerchor) erhalten. Der Junge hört sicher in den ersten Jahren nur Schumann, denn sein Papa wird ernstlich böse, wenn man Bach oder Bethoven [sic] nennt und nicht gleich zeitig Schumann über Alles lobt. Der Zweite ist der Südbahnbeamte Baron von Engerth5 in Mürzzuschlag welcher eine Cypresse gezogen aus kleinem Zweige vom Grabe Schumanns in Bonn mit wirklich rührender Zärtlichkeit pflegt & hegt. Er bat mich in diesem Sommer, da sein elterliches Grundstück verkauft wurde die Cypresse in us. Garten zu übernehmen und konnte ich das leider nicht thun, da unser |4| Garten voraussichtlich schon im nächsten Jahre ganz verbaut wird & die Cypresse ein so oftmaliges Versetzen doch wohl nicht vertragen würde. Daß mir die beiden Herren äußerst sympathisch sind und daß ich mich von Herzen freue im trockenen Geschäftsleben manchmal so erfrischende Eindrücke zu bekommen, brauche ich Ihnen wohl nicht erst zu versichern.
244 Maria und Richard Fellinger sowie Josephine Köstlin
In aufrichtiger inniger Verehrung und von ganzem Herzen ergeben begrüßt Sie
Ihr
Dr R Fellinger

  Absender: Fellinger, Maria (443)
  Absendeort: Wien
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 4
Briefwechsel Clara Schumanns mit Maria und Richard Fellinger, Anna Franz geb. Wittgenstein, Max Kalbeck und anderen Korrespondenten in Österreich / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz, Anselm Eber und Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2020
ISBN: 978-3-86846-015-5
243f.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 4,362
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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