Berlin 30 Decbr 1880.
Hochverehrte Frau!
Verzeihen Sie mir, wenn ich erst heute komme, Ihnen hochverehrte und geliebte Frau meinen innigsten und wärmsten Dank zu sagen für das herrliche kostbare Geschenk, welches Sie mir unter den Christbaum gelegt haben. Die Verzögerung veranlaßte einzig und allein das beschämende Gefühl, daß ich nicht Worte finden konnte, um Ihnen meine Dankbarkeit so auszusprechen, wie sie mein Herz fühlte. Eine solche Gabe gehört eigentlich nur in den Besitz von Menschen, die in geistiger und künstlerischer Beziehung dem hohen Genius Ihres Gemahl’s nahe stehen – darf ich, deßen ganzes Verständniß Rob. Schumanns darin besteht, daß Alles |2| was ich von den Werken des Meisters kennen lernen durfte, mein ganzes Fühlen und Sein in ganz einziger Weise angreift, erhebt & beseeligt – darf ich der Hüter solches Schatzes sein!? Ich weiß ja, daß Niemand Schumann mehr lieben, höher verehren kann, wie ich – seine Compositionen können auch kaum auf das Geistes und Seelen-leben [sic] irgend eines Menschen, der ihn selbst nicht mehr kennen durfte, einen größeren und nachhaltigeren Eindruck machen wie auf mich – aber ich stehe als Laie bescheiden im Hintergrund. Meiner lieben Frau habe ich Vorwürfe machen müßen, daß sie ihrer egoistischen Liebe für mich so hat die Zügel schießen laßen! Und die Wahl des Blattes hat mich so glücklich gemacht – das sind ja drei Perlen4 mir ach schon so lange – so werthe Perlen. |3| Danken kann ich Ihnen nicht, wie ich möchte hochverehrte Frau! – aber sagen möchte ich Ihnen noch einmal, daß Ihre uns so liebevoll geschenkte freundschaftliche Gesinnung zu den schönsten herrlichsten Gaben zählt, die mir das Schicksal bieten kann! –
Und nun nehmen Sie meine und meiner Frau innigsten herzlichsten Glückwunsche zum Jahreswechsel freundlich auf und glauben Sie mir, daß ich von ganzem Herzen bleibe Ihr
Sie hochverehrender dankbarer
Dr R Fellinger.
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