Nürnberg 14/3 80
Hochgeehrte liebe Frau Schumann!
Wenn Sie nach meiner späten Antwort die Wirkung Ihres lieben Briefes bemaßen, so thun Sie mir Unrecht. Er hat mir, glaube ich den ersten wohlthuenden Eindruck in jenen schrecklichen Jammertagen gebracht – d. h. in so weit man in solchen Augenblicken und solchem Zustande überhaupt von wohlthun reden kann.
|2| Liebe Frau Schumann, ich habe wirklich meinen ganzen Lebensinhalt verloren und mein eigenes Dasein ist mir werthlos geworden. Daß es nicht mehr lange dauern kann scheint mir das Beste daran. Doch wollte ich den Verlust tragen, wenn nicht der Gedanke an Anselms kampfvolles und entbehrendes Leben und seine unbefriedigte Glückssehnsucht mir die schärfste Pein machte. Dafür giebt es keine Mittel und keinen Trost.
|3| Sie selbst haben das größte Leid erfahren, da<ß>s ein Menschenherz treffen kann, aber Sie haben die Heilkraft, die sonst nur die Jugend ist, in der eignen Seele, die Kunst, und Sie haben einen eigenen Weg für sich, den Sie nicht verlieren können. Der meinige ist mit Anselm zu Ende gegangen u wenn ich noch eine Weile im Fahrwasser des Sorgens für seinen Nachruhm bleibe, so bin ich mir immer bewußt wie wenig er selbst darauf gehalten. Sein „was hab’ ich davon?“ werde ich noch im letzten Augenblick hören. |4| Ich habe mehr als 200 Briefe erhalten und der Ihrige ist der erste den ich beantworte.
Glauben Sie – ich bitte – an meine tiefe warme Verehrung und Anhänglichkeit. Sie sind Vielen Freude u Segen geworden, die es Ihnen nicht sagen können. In <A>aller dieser Namen möchte ich es heute thun mit Dank und guten Wünschen für Sie.
Wissen Sie, daß Allgeyer seine Stelle aufgegegeben hat und keine andere findet? Ich bin recht ernstlich in Sorgen um ihn und – besinne mich vergeblich was zu thun wäre!
In aufrichtiger Verehrung Ihre
Henriette Feuerbach
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