Pontresina Aug. 25. 81
Hochverehrte Frau Schumann!
Mit herzlichem Bedauern ersehe ich aus Ihrem liebenswürdigen Briefe,
daß ich nicht das Glück haben darf, Sie vor meiner Abreise nach Boston zu sehen. Wir sind genötigt, direct nach England zu gehen – über Chur Basel, da ich Anfang September auf dem Musikfest in Worcester zu singen habe. Erlauben Sie mir, Ihnen |2| meinen wärmsten Dank zu sagen für Ihre guten Wünsche und die freundlichen Worte, in denen Sie Ihr Bedauern ausdrücken über mein Fortgehen von Europa. Mein Engagement in Boston erstreckt sich jedoch für’s Erste nur auf ein halbes Jahr. Ich habe 20 wöchentliche Concerte in Boston und 6 in dem benachbarten Universitätsstädtchen Cambridge zu dirigiren und obgleich Mr Higginson, der Gründer dieses großherzigen Unternehmens |3| (er bezahlt die 70 Musiker besser als sie bisher gewöhnt waren und hat die Preise für den Eintritt so niedrig gestellt daß er im ersten Jahre mindestens 10,000 Doll. zusetzen wird) obgleich Mr H. <die[?]> eine unbegrenzte Fortdauer dieser Concerte im Auge hat, so bin ich doch eben nur für die erste saison contractlich gebunden. — — — — — Von dem neuen Clavierconcert
konnte mir Brahms leider nur die ersten zwei Sätze vorspielen, da die beiden letzten beim Copisten waren. Ich brauche Ihnen |4| nicht zu sagen, wie sehr es mich entzückt hat. Was Brahms selbst betrifft, so habe ich keine Worte für die Güte und Herzlichkeit, mit der er uns aufgenommen und für den Genuß und den Gewinn, die mir seine Unterhaltung gewährt. Er ist der einzige Mann, den ich von ganzer Seele liebe und verehre. – Hoffentlich habe ich das Glück, hochverehrte Frau, Sie im nächsten Jahre in bester Gesundheit wiederzusehen. Meine Frau erwidert Ihre und
Ihrer Frl. Töchter freundliche Grüße mit herzlichem Danke.
Dasselbe thut Ihr
verehrungsvoll ergebener
Georg Henschel
|
