Graz 29. 6. 82
Verehrteste Frau Schumann!
Es hat mich ganz glücklich und stolz gemacht einen so langen und schönen Brief von Ihnen zu erhalten, obwohl ich ihn wirklich nicht verdient habe, und recht gut weiss, dass das Briefschreiben Sie leider stets angreift! Was müssen Sie inzwischen für böse Wochen verlebt haben, umzäunt von Gerüsten, umlagert von Arbeitern, die es Einem bekanntlich nie recht machen, in Gepolter und Staub, immer auf der Flucht, nirgends ein ungestörtes Eckchen – wer weiss, vielleicht bereuten Sie doch Ihren Muth, während der An- und Umbauten an Ort und Stelle zu bleiben! Und nun, gerade am Ende des Semesters der plötzliche Tod Raff’s! Wie muss Sie das ergriffen haben! Und nicht ohne Sorge werden Sie der Zukunft entgegensehen, die neue und vielleicht unliebsame Menschen und Verhältnisse Ihrem sicheren und ruhigen Wirken entgegenstellen wird! – Der Wunsch Ihnen, theuere Frau Schumann, von Hülfe sein zu können, ist so gross in mir, dass ich immer wieder drüber vergesse, dass ich eigentlich nichts dazu thun kann! Welche Verwendung meines Kopfes oder meiner Arme Sie aber immer für mich haben könnten, verfügen Sie über mich wo Sie mich für brauchbar halten; Sie können mich durch Nichts so glücklich machen!
Jansen hatte ich nicht weiter als bis zu den Auszügen aus den Aufsätzen gelesen; bei flüchtiger Durchsicht des Folgenden wollte es mir allerdings auch scheinen, als ob die grosse Gründlichkeit dabei etwas verschwendet wäre; kurze und recht plastische Charakteristiken der Freunde und Gäste waren schon im ersten Theile mit recht vieler Wirkung gegeben. Ich halte dies für ein Ergebniss zu einsamer und einseitiger Arbeit, also für einen jener vielen Tugend-Fehler<n>, welche den Deutschen zieren. Ich glaube ein Wort von Ihnen müste ihn erleuchten, und freudig würfe er selbst den Ballast über Bord! Ich thäte es wenigstens gewiss! So z. B. gab ich sofort Auftrag jene gewisse Repetition im letzten meiner 4händigen Dummheiten auszumerzen – kam aber leider damit zu spät, und muss sie nun mit den übrigen Unvollkommenheiten ruhig ertragen. Über den berühmten Schrank haben wir alle Zeit uns einmal mündlich zu besprechen; dass Sie ihn überhaupt ernsthaft nehmen, macht mich schon sehr stolz, und zur Vornahme aller erdenklichen Veränderungen geneigt. Stützig macht Einen doch wahrlich nur Mangel an Erfolg! Seit 3 Tagen leben wir hier bei unserer Tante Wüllerstorf, und sind recht besorgt über den Zustand des armen Onkels, der gar nicht mehr recht zu Kräften kommen kann, obgleich sein Zustand jetzt keinen gefährlichen Charakter weist. Meine Tante empfiehlt sich Ihnen auf’s angelegentlichste, und von meiner braven und lieben Frau habe ich so viele Grüsse auszurichten, dass ich für meine eigenen Worte keinen Platz mehr fände. Darum schliesse ich „ohne Allem“, und küsse Ihre gütigen Hände!
Herzogenberg
Gesegnetes Bad!
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