23.01.2024

Briefe



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ID: 18596
Geschrieben am: Dienstag 02.12.1884
 

2. December. 84 Zeitzerstr. 24 D

Liebe Theure!

Verspäteten Dank für Ihren guten Brief an Heinrich vom 20ten! Bezüglich der Concertgeschichte haben Sie, wie wir hinterdrein erkannten, vollkommen recht, u. wir waren die Einfältigen. Ein Blick auf das Festprogramm belehrt einen sofort darüber, obwohl Trefftz behauptet, wenn Sie für das 4. Concert zugesagt hätten, wäre das Programm anders gedruckt u. auf die vier Concerte bezogen worden. Jedenfalls aber hat es durch sein Nachhumpeln einen andern Carakter, auch sind die Gäste dann schon abgereist, Sie sind also vollständig zu Ihrer Auffassung berechtigt gewesen, u. es ist nur gut daß Sie u. Frau Platzman so viel klüger waren als wir. Es ist seltsam, wie wenig Talent die hiesige Direction zum Takt hat. Daß z. B. die Spieß in dem 3. Concert auftritt finde ich im höchsten Grade unpassend bei solcher Gelegenheit u. wenn <S>sie selber nicht so jung u. gierig wäre, hätte sie’s ablehnen müssen. Es ist als wollte man neben zwei Raphaels einen hübschen Vautier oder irgend was Aehnliches aufhängen – eine unglaubliche Vermischung der „Calibres“ u. ein mangelndes Gefühl für die Atmosphäre die Künstler wie Frau Schuman u. Joachim um sich verbreiten. Etwas andres ist es bei Musikfesten, wo es glaub’ ich Sitte ist, daß die Mitwirkenden bis an den Schluß beschäftigt werden, hier liegt keine Entschuldigung vor.
Hildebrand schrieb mir äußerst trübselig aus München daß, durch das längre Unwohlsein seiner „Zusi“, er am rechtzeigen Einrücken bei Ihnen verhindert worden u. dadurch sich innerlich verpflichtet gefühlt Frankfurt jetzt aufzugeben weil er eine so werthvolle Arbeit nicht überstürzen wolle. Ihnen ist es vielleicht, Ihres leidenden Arms wegen, jetzt lieber, aber ich trauere sehr. Nun kommt aber Hildebrand zu uns, um Sie hier recht anschauen u. Ihnen menschlich etwas näher treten zu können u. da können Sie das nächste rendezvous in aller Ruhe besprechen, mündlich lassen sich ja so viel leichter Fäden anknüpfen. Ueber den Fiedlerschen Aufsatz in der Allgemeinen am 29.ten haben wir uns sehr gefreut. Wie gedrängt u. gehaltvoll, warm u. maßvoll ist er u. welch ein Glück muß es doch sein, solch einen Freund zu besitzen wie Hildebrand an Fiedler hat, der immer zu rechter Zeit das rechte Wort sagt. Sie fragen den Heinrich umsonst um seine Auslagen für Ihren Taufschein er ließe sich um kein Eckhaus die 75 pf wiederzahlen die er in der Sakristei für Clara Josephine ausgelegt, auch wenn es eben so viel Thaler wären. Er kam ganz gerührt nach Hause u. wir hatten das Gefühl als hätten wir noch ein bischen mehr als früher Theil an Ihnen, Sie Liebe!
Für Ihren gar guten Brief an mich, den eigenhändigen, hab’ ich Ihnen auch erst halb genug gedankt; ich war damals grade bepackt mit allerhand u. dann kam ein gräuliches Hauskreuz mit zwei verschwundenen 100 M. Scheinen von denen ich Ihnen mündlich erzähle auch lag ich kurz zu Bett u. hustete u. dachte, es ginge wieder los wie vorig Jahr. Aber Gottlob es ging gleich vorüber u. meine „neue Gesundheit“, die ich der energisch betriebenen Oertl’schen Fleischcur verdanke, bewährte sich auch da. Ich bin wirklich seitdem umgewandelt kann mich ungenirt u. rasch bewegen ohne Beschwerden u. steige auch viel leichter Treppen.
Wenn ich nur wüßte wie es mit Ihrem Arm geworden, ob Sie das peinigende Gefühl wieder los sind u. wir Sie hier in frischer Kraft erwarten können. Ich bin so froh daß wir’s doch richtig erleben das <G>Concerthausfest mit Ihnen! – Berlin scheint mir wie versunken – eine närrische Geschichte. Bitte falls Sie je drauf angeredet werden, sagen Sie doch Sie wüßten von uns daß<> wir ruhig hier blieben, es ist die einzig richtige Antwort u. in Berlin haben sie uns dringlich gebeten so zu sprechen, da das „Manderl steh-auf“, Kiel, doch wieder ganz fest sitzt.
Ade Ade für heute, Ihre lieben 100 M. die ich als Ungenannt in die Liste eintrug haben uns Segen gebracht wie alles was von Ihnen kommt, die nächsten Zeichnungen waren drei weitere Hunderter von den drei Voigtschen Kindern: Böttcher, Gensel u. der Goettinger Professor! Bei Freges wagte ich noch nicht anzuklopfen, sie klagt immer gar so sehr über die Judengleichkeit [sic] aller Armen u. Armen-Freunde. Aus Gmunden von der Herzogin u. Pr. Mary bekam ich 500 Mark –aber von einem hochstehenden Mann, den ich nicht nennen will, 5 Fl. So geht es auf u. ab u. die wahrhaft Mildthätigen u. Freigebigsten sind immer die Guten Klugen nicht die Vornehmen, Reichen.
Ich küße Ihnen die lieben Hände die ich bald (ganz leise!) drücken darf u. bin in alter neuer u. neuster Liebe
Ihre Lisl

  Absender: Herzogenberg, Elisabeth von (691)
  Absendeort: Leipzig
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 15
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit den Familien Voigt, Preußer, Herzogenberg und anderen Korrespondenten in Leipzig / Editionsleitung: Thomas Synofzik, Michael Heinemann / Herausgeber: Annegret Rosenmüller, Ekaterina Smyka / Köln: Verlag Dohr / Erschienen: 2016
ISBN: 978-3-86846-026-1
558-561

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 4,305
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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