Heiden Cton Appenzell a/R 14. Juni 92
Liebe theure Frau Schumann!
Der Grund, Ihrer Tochter Eugenie näher zu sein, ist ein so überzeugender, dass ich meine grosse Enttäuschung ganz in mein Inneres vergrabe, Sie nicht hier haben, und ein bischen zu Ihrer Erheiterung beitragen zu können! Der Brüning wurde mir von einem Freunde der dort den Sommer zubrachte, sehr gelobt; ich bin nur im Jahre 89 mit Lisl drüber gefahren, wobei ich wohl sehen konnte, wie spazierlich und wie aussichtsreich dies Pass-Plateau sein müsse. Möge Ihnen die Unterkunft genügen, und Sie einige Freunde dort treffen oder anlocken! Wach’s Besitz ist 1/2 Stunde von Interlaken, oberhalb des nächsten Dorfes, Wilderschwyl, und heisst „Ried“. Etwas schöneres als Lage kenne ich in den Alpen nicht (ich bin in den Voralpen, das ist nach meinem Geschmack freilich noch schöner und beschaulicher.) Ich schreibe Wach’s gleich von Ihrem Aufenthalt, damit sie sich um Sie umsehen können, sobald sie eintreffen, was für die Weiblein wohl bald sein wird. Wach selber kömmt wohl kaum vor Anfang August; auf diesen prächtigen Menschen müssen Sie also vorläufig verzichten. Wie schwer mir der Anfang hier war, kann ich gar nicht sagen; dabei erfüllte mich aber die unbeschreibliche Lieblichkeit der Lage und die rührende Herzigkeit des Hauses mit innigen Hoffnungen auf die Zukunft meines Lebens. Ohne meinen Schutzgeist Helene H. wär’s aber nicht gegangen! Hoffentlich schlägt Ihnen die würzige Luft gut an, die Sie (im Contrast gegen Basel) schon jetzt einatmen, und die noch viel schöner auf dem Brüning sein wird. Heute besuchen uns Volklands auf der Reise nach Carlsbad – wir sind aufgeregt wie vor einem Concert.
Herzliche Grüsse an Ihre Tochter Marie!
Ihr stets getreuester Herzogenberg
Helene H. grüsst bestens.
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