Liebe verehrte Freundin!
Wie gerne wäre ich morgen bei Ihnen in Interlaken, wie es meine Absicht war, um Sie an Ihrem schönen Feste zu begrüssen. Der Zustand meiner Schwägerin Brewster, der den ganzen Sommer über schon zu ernsten Besorgnissen Anlass geboten, verschlimmerte sich vor 4 Tagen so beängstigend, dass ich mich schleunigst hierher aufmachte. Gottlob war die momentane Gefahr wieder vorüber als ich vorgestern hier ankam, und so reise ich morgen wieder nach Heiden zurück, immer gewärtig ein zweites Mal gerufen zu werden. Das ist für mich ganz besonders eine traurige Zeit, da ich bei der Gleichartigkeit des Leidens Alles wieder durchlebe, was ich einst in so schmerzlicher Weise durchgemacht bei der letzten Krankheit meiner Frau. Ich sollte zu Ihrem Geburtstag einen anderen Inhalt für meine Zeilen finden; ich bin aber ganz erfüllt davon, und weiss in welch treuer und herzlicher Weise auch Sie, gütigste Freundin, an meinen Schicksalen theilnehmen!
Möge Ihnen dieser Sommer mit seinem prachtvollen Ende gut angeschlagen haben, und Sie recht gekräftigt in die Winterquartiere aufbrechen! Vielleicht führt unser Heimweg nach Berlin wieder über <>Frankfurt, mit der bekannten uns schon so geläufigen Abendvisite bei Ihnen; ich frage mich jedoch vorher an.
Mit den herzlichsten Glückwünschen küsse ich Ihre Hände, und grüsse Ihre ganze liebe Umgebung.
Ihr treuer und verehrungsvoller
Herzogenberg
Freiburg i/B 12. Sept. 95
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