23.01.2024

Briefe



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ID: 18670
Geschrieben am: Mittwoch 08.07.1885
 

Nun komme ich Ihnen zu danken, verehrte Frau, für die große Freude, die Sie mir durch Mittheilung dieser herrlichen Briefe bereitet haben. Ich bin überzeugt, daß Jeder, auch der Fernerstehende, der zu dem Musiker kein Verhältniß hätte, von dem Menschen, der sich hier ausspricht, unwiderstehlich angezogen werden wird. Und da sich dieser tiefe, reine und liebevolle Mensch hier vor unsern Augen vollständig entwickelt, aus den ersten noch unklaren jugendlichen Anfängen bis zur reifen, selbstgewissen Künstlerschaft, wird das Buch, so lückenhaft es sein mag, gleichwohl Nichts vermissen lassen und alle hie und da veröffentlichten Sammlungen seiner Briefe, die nur aus der reiferen Zeit stammen, übertreffen. Ich habe sorgfältig |2| darauf geachtet, ob etwas weggelassen werden könnte. In den Jean-Paulisirenden Jugendbriefen wiederholen sich freilich die Stimmungen und Betrachtungen hin und wieder. Und doch möchte ich Nichts missen, wie ich mich denn selbst nie versucht fühlte, irgend etwas zu überschlagen. Nun möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, einmal, daß es zweckmäßig wäre, über jedem Brief die Person, an welche er gerichtet ist, zu bezeichnen, ferner, daß die unleserlichen Stellen nicht eher leer gelassen werden sollten, als bis ihre Enträthselung als durchaus unmöglich erkannt worden. Wie gern würde ich Ihnen meine alte philologische Handschriftenkunde zur Verfügung stellen! Endlich sollten auch, wie Sie ja vorhaben, die Anmerkungen über Persönliches ein wenig reichlicher sein.
|3| Warum aber wollen Sie die Briefe an Clara Wieck als „Anhang“ geben? Von einem solchen erwartet man etwas Andersartiges, als das Buch bereits gebracht, und wird befremdet, wenn man nun wieder Briefe findet. Ich würde auch diese – die mit das Interessanteste enthalten – einfach den übrigen anschließen, zumal ja auch in den früheren Briefe an Sie – vor der Verlobung – miteingereiht sind. Könnten Sie sich entschließen, auch von der Correspondenz der späteren Jahre noch Einiges hinzuzufügen, so würde in diesem Band das ganze Leben des theuren Meisters wenigstens in den Umrissen vollendet uns entgegentreten.
Ich sende das Mscr. heute an Frl. Emilie List, da Sie es so gewünscht haben. Wäre ich in München geblieben, würde ich mit Freuden auch den Druck überwacht haben. Nun aber brechen wir in der nächsten |4| Woche nach Engelberg auf und der Verkehr würde weitläufig und zeitraubend werden.
Nochmals Dank für diese edle und reiche Gabe! Meine besten Wünsche für Ihre Cur und herzlichen Gruß Ihren Töchtern von Ihrem aufrichtig ergebenen
Paul Heyse
München. 8. Juli. 1885

  Absender: Heyse, Paul (703)
  Absendeort: München
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort: Wildbad Gastein
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
1000ff.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 4,336
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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