Leipzig, 3. Nov. 1888.
Hochverehrte Frau!
Noch dankte ich Ihnen nicht für Ihr eigenhändiges Schreiben voller Theilnahme an meinem Verluste, und nun höre ich von Ihrem diamantenem Künstlerjubiläum — denn die goldene Hochzeit mit der Kunst feierten wir ja vor 10 Jahren in Leipzig — und so giebt mir dieses seltene Fest die Erlaubniß, meinen Glückwunsch darzubringen. Hoffentlich vergönnen Sie uns diesen Winter Ihre Gegenwart. War es doch schlimm genug, daß Sie ein ganzes Jahr überschlugen! — Wir dürfen nicht gar zu verschwenderisch mit den Wintern umgehen, — meine Schwester hätte voriges Iahr nicht gedacht, daß es ihr letzter sein würde. Am Stuttgarter Musikfest wurde sie krank, das heißt, sie genoß es noch, fragte aber schon dort einen Arzt, der es gleich sehr ernsthaft nahm. In Oberstdorf fühlte sie sich sehr elend bei mir; das Berghäuschen ist nicht danach angethan, Kränkliche zu herbergen, und ich war froh, als ich sie in ihrem Aussee wußte, und sehr dankbar, sie zuletzt in ihrem Hause in Leipzig verpflegen zu dürfen, wohin sie mit Mühe und Noth noch transportirt werden konnte. Hier ging es sehr rasch zu Ende, Gott sei Dank! aber sie starb doch schwer, und der Tod war Erlösung.
Ja, liebe Frau Schumann, Elisabeth Seeburg war eine dankbare Verehrerin Ihres Genius, und sie liebte Sie mit ihrer ganzen treuen Seele von Ihrem ersten künstlerischen Auftreten an, mit Leidenschaft, kann ich sagen, und beneidete mich um das Glück, Sie einige Sommer auf dem Salzberge gesehen zu haben. Sie ließ sich noch in ihren letzten Lebenstagen eine Novellette von R. Sch. vorspielen und weinte bitterlich dabei — es war ihr bewußter Abschied von der Kunst. — Heute hat mein Georg Schumanns die Phantasie sehr schön öffentlich gespielt. Er ist ein so schönes Talent, daß er werth wäre, von Ihnen gekannt zu sein! — In alter Treue küßt Ihnen die Hand
Hedwig von Holstein.
[Hedwig von Holstein, Eine Glückliche. Hedwig von Holstein in ihren Briefen und Tagebüchern, Leipzig 1901, S. 326 f.]
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