23.01.2024

Briefe



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ID: 18714
Geschrieben am: Sonntag 04.11.1888
 

Leipzig 3 Nov 888.
Hochverehrte Frau!
Noch dankte ich Ihnen nicht für Ihr eigenhändiges Schreiben voller Theilnahme an meinem Verlust, u nun höre ich von Ihrem diamantenen Künstler-Jubiläum – denn die goldne Hochzeit mit der Kunst feierten wir ja vor 10 Jahren in Leipzig – u so giebt mir dieses seltene Fest die Erlaubniß, |2| meinen Glückwunsch darzubringen. Hoffentlich vergönnen Sie uns diesen Winter Ihre Gegenwart. War es doch schlimm genug, daß Sie ein ganzes Jahr überschlugen! – Wir dürfen nicht gar zu verschwenderisch mit den Wintern umgehen, – meine Schwester hätte voriges Jahr nicht gedacht, daß es ihr letzter sein würde. Am Stuttgarter Musikfest wurde sie krank, das heißt, sie genoß es noch, fragte aber schon dort einen Arzt, |3| der es gleich sehr ernst nahm. In Oberstdorf fühlte sie sich sehr elend bei mir, das Berghäuschen ist nicht danach angethan, Kränkliche zu herbergen, u ich war froh, als ich sie in ihrem Aussee wußte, u sehr dankbar, sie zuletzt in ihrem Hause in Leipzig pflegen zu dürfen, wohin sie mit Mühe u Noth noch transportirt werden konnte. Hier ging es sehr rasch zu Ende, Gott sei Dank! aber sie starb doch schwer u der Tod war Erlösung.
Ja, liebe Frau Schumann, Elisabeth Seeburg war eine dankbare Verehrerin Ihres Genius, u sie liebte |4| Sie mit ihrer ganzen treuen Seele von Ihrem ersten künstlerischen Auftreten an, mit Leidenschaft, kann ich sagen, u beneidete mich um das Glück Sie einige Sommer auf dem Salzberge gesehen zu haben. Sie ließ sich noch in ihren letzten Lebenstagen eine Novellete [sic] von R. Sch. vorspielen u weinte bitterlich dabei – es war ihr bewußter Abschied von der Kunst. –
Heute hat mein Georg Schumann die Fantasie sehr schön öffentlich gespielt. Er ist ein so schönes Talent, daß er werth wäre, von Ihnen gekannt zu sein! –
Von Lisl Herzogenberg habe ich vorgestern herrliche Blumen erhalten, vom Befinden ihres Mannes schreibt sie nichts! –
Meine Helene empfiehlt sich Ihnen „Millionenmal“ wie sie mir wörtlich sagte, u ich küsse Ihnen die Hand in alter Treue.
Hedwig v. Holstein
Beste Grüße an Fl Marie.

  Absender: Holstein, Hedwig von, geb. Salomon, Hedwig (734)
  Absendeort: Leipzig
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort: Frankfurt am Main
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 21
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Korrespondenten in Leipzig 1828 bis 1896 / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Annegret Rosenmüller, Eva Katharina Klein und Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2025
ISBN: 978-3-86846-031-5
494ff.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 5,175
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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