23.01.2024

Briefe



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ID: 18715
Geschrieben am: Dienstag 08.12.1891
 

Hochverehrte, geliebte Frau Schumann!
Welche Freude haben Sie uns bereitet mit dieser idealen jungen Künstlerin! Sie ist ja ganz der Abglanz Ihres Wesens u Spiels, u wir Alle wissen nicht, ob wir sie mehr bewundern oder mehr lieben sollen. Man möchte alle Hände, alle Flügel über sie breiten, daß sie so bleibt! Haben Sie innigsten Dank daß Sie sie auch an mich empfohlen haben, sie hat sich „in meines Herzens Herz“ gestohlen, wie Shakespeare sagt. – Wie |2| es sonst hier steht u geht, wird sie Ihnen besser selbst erzählen. Gott sei Dank, daß Sie wieder wohler sind! Schonen Sie sich nur recht sehr, u reisen Sie nirgends wo anders hin, als nach Leipzig, jeder andre Ort ist Ihnen schädlich! –
Daß es in San Remo besser geht, wissen Sie vielleicht noch nicht? – Die lieben Herzogenbergs telegraphirten um Helene Hauptmann, wenn sie nicht <>fort gekonnt hätte wäre ich mit meiner Martha augenblicklich gereist. Aber Helene entschloß sich, u gereicht den |3| lieben Menschen dort zum Segen. Lisl durfte sich anfangs nicht bewegen, keinen Finger rühren, sonst kamen die Beklemmungen wieder. Nun aber haben sie die Leute auf einem Stuhl in die Villa hinüber getragen, die Herzogenberg privatim gemiethet hat für diesen Winter, u wo sie aus ihrem Schlafzimmer ohne eine Stufe zu steigen auf die Terrasse gehen kann u <wo sie> das Meer u die ganze himmlische Gegend sieht. Sie hat schon mehre Tage dort in der Sonne gesessen. Ob wir sie aber wiedersehen – |4| ich habe doch wenig Hoffnung, obwohl es auf u ab geht. In München war ich mit ihr im Theater u in der Ausstellung. Die Nachricht von der Krankheit ihrer Mutter hat sie so herunter gebracht. –
Nun nochmals zu Ihrem Schützling. Wir waren Alle überzeugt, sie müsse noch diesen Winter im Gewandhaus spielen, u siehe da! Der gute Klengel tritt zurück, um ihr Platz zu machen. Ist das nicht nett? Die Schwester empfehle ich nun Ihnen, ein ausgezeichnet gescheutes, taktvolles Mädchen, die in guter Gesellschaft stets geathmet haben muß.
Mit tausend u tausend Dank
Ihre alte Verehrerin
Hedwig v. Holstein
d. 8' Dec. 1891.

  Absender: Holstein, Hedwig von, geb. Salomon, Hedwig (734)
  Absendeort: Leipzig
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort: Frankfurt am Main
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 21
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Korrespondenten in Leipzig 1828 bis 1896 / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Annegret Rosenmüller, Eva Katharina Klein und Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2025
ISBN: 978-3-86846-031-5
501ff.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 6,103
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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