Liebe, verehrte Frau Schumann
Von Herzen Dank für Ihr recht musikalisches Geschenk, das mir jetzt schon so willkommen war, und mir immer lieber werden wird, je öfter Sie uns besuchen. Daß auch meine Zeichen innigen Gedenkens an Sie und Ihren Kreis empfängliche Herzen gefunden ist mir eine rechte Freude; bei Ihrer und Mariens Güte durft’ ich es hoffen. Wir waren den 1ten Abend bei Scholzens, den zweiten bei uns, ohne Scholzens, weil sie die Nachricht vom Tode ihrer Mutter erhielt, die von langem, hoffnungslosem Leiden am 24ten erlöst worden war. Das Söhnchen erschrack erst vor den Lichtchen, faßte sich aber bald und starrte recht vergnügt in den Baum. Eben haben wir zum 1ten Mal sein „Wiegenlied“ von Johannes dem Pathen durchgespielt u. gesungen mit Julie v. A.; es ist gar herrlich, und wenn Sie kommen müssen Sie den zarten Gesang voll heilig mildem Klang mit genießen. Am 17ten oder 18ten also? Ich erwarte sehr bald etwaige Wünsche von Ihnen für die Anordnung. Mit genauer Bestimmung des Datums müssen wir auf das Theater-Repertoire warten. Zum neuen Jahre wünsche ich Ihnen und den Ihrigen was Ihr Herz begehrt, und mir, daß es uns öfter als in den letzten Jahren zusammen führe, bei welchem Wunsche das beste ist, daß ich etwas dazu thun kann, und will. Gratuliren Sie Fräulein Leser und Fräulein Junghe von mir zum neuen Jahr, und behalten Sie lieb
Ihren
altergebenen
Joseph Joachim
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