Liebe, verehrte Frau Schumann!
Als ich Sie zuletzt auf der reizenden Anhöhe bei Berchtesgaden besuchte,da hoffte ich es würde bald ein längerer Besuch folgen können! Leider wird es nun nicht so sein: Nachrichten die ich von Berlin erhielt bestimmen mich so bald als möglich hin zu gehen. Mein Diener ist erkrankt, in meiner dortigen Wohnung, und die sehr unzuverlässige Köchin, welche am 1ten Oktober den Dienst verlassen wird, bleibt als alleinige Hüterin übrig! Da muß ich denn schon zum Rechten sehen; denn Frau v. Beulwitz bringt meine beiden Mädchen in eine Pension nach Weimar, und ist schon abgereist. Es ist sehr schade, denn der Himmel verspricht für morgen einen schönen Tag, auch äußerlich, wie uns, die wir uns des Bewußtseins Ihres Besitzes freuen, der 13te September innerlich immer ein feierlicher, schöner und lieber bleiben wird. Mögen Sie ihn mit den theurn Kindern recht froh verbringen! Gewiß stellen sich auch manche liebe Gäste ein, die ich um den Tag in Ihrer Nähe beneiden möchte, wäre Neid erlaubt! Und doch sind einige darunter, denen ich solche Gunst von Herzen gönne; ich meine namentlich Herzogenbergs, die ich sehr zu grüßen bitte. Gestern sprach ich recht viel von Ihnen und mußte von Ihnen und allen Ihren Lieben viel erzählen: Die gute Königin Marie v. Hannover gedachte in Gmunden, wo ich bei ihr war Ihrer so warm und herzlich, daß es Sie gefreut haben würde es zu hören, obwohl Sie ja daran gewöhnt sind auf Händen getragen zu werden. Es lag aber etwas so einfaches und rührendes in der Art wie sie sich frühere, schönere Tage in’s ärmere Jetzt zurückrief, und mit Treue auch Ihrer und Ihrer herrlichen Kunst eingedenk war! Die Frau hat ein warmes Gemüth, und die Prüfungen haben sie vertieft; ich bin froh daß ich mich entschloß endlich einmal den Vorsatz eines Besuches auszuführen. Sie sollten es auch einmal thun! Ich muß aber darüber nicht vergessen Ihnen der Königin wärmste Glückwünsche zum Geburtstag zu bestellen, die sie mir aufgetragen. Ich hoffe noch immer Sie und die lieben Töchter in Eisenach zu sehen, wenn ich von Thüringen aus dazu rathen kann; ich will Nachricht geben. Nun muß ich noch etwas erwähnen, um nicht am Ende in einen falschen Verdacht zu kommen: ich hatte nach Berlin geschrieben, daß Sie mir versprochen haben im April das letzte Concert zu verschönen, falls Sie nicht nach England gehen, und eigends hinzugefügt, daß wir Sie aber im Prospect für die Concerte vorläufig nicht erwähnen dürfen, bis wir Gewißheit gewinnen. Dennoch lese ich nun Ihren Namen unter den Künstlern aufgeführt. Seien Sie mir darum nicht böse, wenn Sie’s erfahren; ich bin gänzlich schuldlos, und werde in Berlin sehen wie es zusammen hängt.
Mit den innigsten Grüßen, hochverehrte Freundin,
Ihr
Joseph Joachim
Aigen bei Salzburg, d. 12. Septbr vor der Abreise.
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