23.01.2024

Briefe



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ID: 18871
Geschrieben am: Donnerstag 28.12.1882
 

Wien d. 28. Dcbr. 82.
IX Porzellangasse 26.

Hochverehrte Frau!
Unter Kreuzband schicke ich Ihnen das erste Heft der soeben erschienenen oesterr. Rundschau. Der in demselben enthaltene Aufsatz „Aus R. Schumanns Jugendzeit“ bildet ein Capitel unseres Buches und soll Ihnen zeigen, daß ich munter bei der Arbeit bin. Obgleich der erste Band schon ziemlich weit vorgerückt ist (bis zum Beginn der Künstlerlaufbahn) konnte ich ihn doch nicht in der erwünschten |2| Frist zu Ende bringen. Ich muß wieder trösten und vertrösten und an Ihre himmlische Geduld appelliren; aber die Zeit, die ich mir nehme, kommt unserem Buche hoffentlich besser zu Statten als jede Ueberstürzung dies thun würde. Sehr lieb wäre es mir, wenn ich für den ersten Band die in der Zeit von 1828–40 an Schumann gerichteten Briefe benützen könnte. Es würden dies 4–5 Volumina Ihrer Briefsammlung sein, die Sie mir ohne Beschwerde schicken könnten. Gern vernähme |3| ich Ihr Urteil über das beifolgende Capitel, ob Ihnen die Darstellung in Form und Inhalt zusagt, ob die versteckte Tendenz: zu zeigen, wie der latente Musiker allmählich die Puppenhülle des Poeten durchbricht – ob diese Absicht von mir erreicht worden ist u. a. m. Wenn Ihnen irgend etwas daran nicht gefällt, bitte ich es mir unumwunden zu sagen, da ich, soweit ich es kann, mich durchaus nach Ihren Wünschen richten will. Wollen Sie noch ein Uebriges thun in Liebenswürdigkeit, |4| so lassen Sie mir ein Wort über meine Parsifal-Studie zukommen. Hat dies kleine Buch auf Sie auch den Eindruck gemacht, als sei ich eigentlich ein geheimer Anhänger des Meisters, dem es leid thue kein offener sein zu können? Dann müßte ich freilich bedauern auch nur Eine Zeile geschrieben zu haben. Man kann den Leuten nicht derb genug kommen; jede feinere Ironie geht verloren.
Daß ich zur „Presse“ überlaufe, haben Sie vielleicht in den Zeitungen gelesen – eine Wandlung, die nichts bedeutet als höheres Honorar und ruhigere Tage. Beides kann ich brauchen. Möge das neue Jahr, das vor der Thüre steht, Ihnen Angenehmes bringen, und möge dazu auch beitragen dürfen Ihr verehrungsvoll ergebener
Max Kalbeck.
Bitte mich Frl. Marie u. Frl. Eugenie5 bestens zu empfehlen. .

  Absender: Kalbeck, Max (785)
  Absendeort: Wien
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 4
Briefwechsel Clara Schumanns mit Maria und Richard Fellinger, Anna Franz geb. Wittgenstein, Max Kalbeck und anderen Korrespondenten in Österreich / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz, Anselm Eber und Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2020
ISBN: 978-3-86846-015-5
647f.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 4,210
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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