23.01.2024

Briefe



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ID: 18873
Geschrieben am: Mittwoch 14.04.1880
 

Max Kalbeck

IX., Beethovengasse 3
1. Stiege, 3. Stock.
WIEN, den 14. April 80.

Hochverehrte Frau,
Endlich, endlich! Das letzte philharmonische Concert, die Lucca und Bianchi, Operngäste und Virtuosen sind glücklich überstanden, und ich darf mich wieder ungestört mit meinen eigenen Angelegenheiten und erfreulicheren Bestrebungen beschäftigen. Ich habe sehr aufgeregte Tage hinter mir; Todesfälle in der Heimat, die mich nahe berührten, und ein übel mit mir umgehender nervöser Fieberanfall, von dem ich mich noch immer nicht völlig erholen |2| kann, trugen das ihrige dazu bei einen schweigsamen Mann aus mir zu machen. Nun lacht die warme Frühlingssonne wieder hoffnungs- und verheißungsvoll in mein Zimmer, und ich eile zu Ihnen, um Ihnen zu sagen, daß ich lebe, und daß ich auch in den trüben Tagen unablässig an das gedacht habe, was mir die Zukunft durch Ihre gütige Hand bringen soll. Der Brief des Herrn Jansen, den ich beilege, hat mich höchlich interessirt, und ich habe gestern nach Verden geschrieben, um durch eine schriftliche Annäherung meinerseits eine dauernde Verbindung herzustellen, die, wie es mir scheint, unserem Unternehmen von großem Vorteil sein wird.
|3| Die in der „Allgem. Ztg.“ veröffentlichte Notiz hat inzwischen die Runde durch alle Blätter gemacht; ich bin begierig, ob sie uns etwas eingetragen hat. Ich hoffe es zu ermöglichen, daß ich im Auftrage der Zeitung nach Bonn zur Enthüllung des Schumann-Denkmals geschickt werde. Alsdann könnte ich schon im Mai auf eine Woche nach Frankfurt kommen. Nur weiß ich nicht, ob Ihnen da mein Besuch gelegen sein wird. Gern erführe ich, ob Sie, hochgeehrte Frau, der Bonner Feierlichkeit beiwohnen wollen? Vielleicht ließe in diesem Falle sich Weiteres verabreden; obwol ich andererseits glaube, daß Sie in so unruhiger Zeit der Schonung doppelt bedürftig sein werden.
|4| Mit meiner hiesigen Stellung bin ich sehr zufrieden. Meine Aufsätze finden beim Publicum und bei der Redaction Gefallen und tragen dazu bei mich in immer weiteren Kreisen bekannt zu machen.
Wien steht auf gesünderem und fruchtbarerem Boden als das sterile Breslau, und das Publicum ist Gottlob zu wenig angewagnert um der
Tradition unserer wahren musikalischen Genien entfremdet werden zu können.
Wollen Sie mich nächster Tage mit einigen Zeilen beehren, so werden Sie, hochverehrte Frau, herzlich erfreuen
Ihren
ehrfurchtsvoll ergebenen
Max Kalbeck

  Absender: Kalbeck, Max (785)
  Absendeort: Wien
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 4
Briefwechsel Clara Schumanns mit Maria und Richard Fellinger, Anna Franz geb. Wittgenstein, Max Kalbeck und anderen Korrespondenten in Österreich / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz, Anselm Eber und Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2020
ISBN: 978-3-86846-015-5
620f.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 4,22
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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