Max Kalbeck
IX., Beethovengasse 3
1. Stiege, 3. Stock.
WIEN, den 20. April 80.
Hochverehrte Frau,
haben Sie herzlichen Dank für Ihren lieben Brief und empfangen Sie die Nachricht, daß ich am Nachmittag des 2. Mai in Bonn bei Ihnen vorsprechen werde. Vielleicht bringen Sie die Handschriften und die Copien mit oder bestimmen mir gefälligst einen Tag, der uns in der nämlichen Woche in Frankfurt bei Ihnen zusammenführen könnte. Da ich im Auftrage der Zeitung ohne Urlaub reise, darf ich mich nicht allzu lange am Rhein aufhalten – so gern ich’s möchte! Die ganze |2| Fahrt soll in acht Tagen vollendet sein, und dabei muß ich noch für mehrere Feuilletons Zeit gewinnen. Trotzdem freue ich mich unbeschreiblich auf das weihevolle Fest und bin glücklich es als Einer miterleben zu dürfen, der noch nebenher sein ganz besonderes gutes Recht hat dabei zu sein. Möge der Tag, an dem wir das Horazische „exegi monumentum aere perennius“ – „ein Denkmal hab’ ich errichtet, das dauernder ist als Erz“ – feiern können, nicht allzu fern sein! Schumanns Bild soll dann in doppeltem Glanz erstralen [sic], für Alle sichtbar und Allen ein leuchtendes Vorbild menschlicher und künstlerischer Größe.
Zugleich mit dem Ihrigen lief ein Brief von Härtels bei |3| mir ein, den ich dahin beantwortet habe, daß ich, wenn ihre Bedingungen mir zusagten, wol auf ihr Verlagsanerbieten eingehen möchte. Eine solche Zusage bindet uns nicht, und wir können immer noch thun, was uns gefällt. Hr. Dr. Hase will am 2. Mai ebenfalls in Bonn sein und mit mir sprechen.
Ich bin wieder gesund, so gesund, daß ich die Nibelungen-Trilogie, welche sich in dieser Woche wieder durchs Operntheater wälzt, glücklich zu überstehen hoffe. Die Es-Dursymphonie und „Manfred“ sollen mir dann um so wohler thun.
Möge es auch Ihnen, hochverehrte Frau, so gut ergehen, daß Sie Schmerz und Freude der bevorstehenden Zeit glücklich ertragen!
Ehrfurchtsvoll Ihr
sehr ergebener Max Kalbeck
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