23.01.2024

Briefe



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ID: 18875
Geschrieben am: Dienstag 22.06.1880
 

Max Kalbeck

Wien, d 22. Juni 1880.
BEETHOVENGASSE 3

Hochverehrte Frau,
meiner flüchtigen Karte lasse ich den versprochenen Brief nachfolgen, nachdem ich gestern endlich wieder hier, wenn auch nur auf kurze Zeit, festen Fuß gefaßt habe. Wie ich Ihnen schon mitgeteilt, bin ich mit Ihren erneuerten alten Vorschlägen einverstanden. Ich bin es, weil ich es muß. Denn es wird mir schwer von meinen Absichten, die auf Größeres gerichtet waren, zu lassen, und ich sehe dem Vorwurf entgegen, der mir nach dem Erscheinen unseres Buches gemacht werden wird, daß ich mit dem schönen Material so wenig anzufangen wußte. Die Entscheidung liegt bei Ihnen, und ich ordne mich ihr willig unter, ohne auf meine Wünsche Rücksicht zu nehmen. Was mich tröstet, ist die Hoffnung, daß in der Ausführung |2| unseres Planes Vieles sich günstiger gestalten wird als es im vorhinein den Anschein hat. Mögen Sie und Ihr berathender Freund rechtbehalten, wenn Sie sagen, die Zeit für eine ausführliche Biographie Schumanns sei noch nicht gekommen. Nur bitte ich dringend mit der Uebergabe von Abschriften, Papieren und Briefsammlungen nicht länger zu zögern. Gern hätte ich die bei meinem Frankfurter Aufenthalt, an den ich immer mit Freuden zurückdenken werde, ausgesprochene Absicht wahr gemacht und Sie ein zweites Mal besucht. Aber die Umstände erlauben es nicht. Pflichten der Dankbarkeit hießen mich für die Breslauer Ztg. zum schlesischen Musikfeste5 und im Juli zu den Münchener Theaterabenden < zu> gehen. Hier muß ich der Direction Jauner, die sich mit einer Mozart-Woche empfiehlt, das letzte Geleite geben, und kann also vor dem 1. Juli nicht fort. Schicken Sie mir gefälligst, was Sie bereit haben, |3| womöglich auch die Briefbände alle. Die freie Zeit, die mir im August
bleibt, möchte ich nicht unbenutzt vorübergehen lassen und mich dann gleich an die Arbeit machen. – Die Honorarfrage soll genau in Ihrem Sinne erledigt werden, natürlich realiter erst nach Fertigstellung des Buches.
Beifolgend erlaube ich mir Ihnen ein Bild zu verehren, das ich nach dem mir von Mr. Grove eingesendeten Original10 habe copiren und vergrößern lassen. Sagt es Ihnen zu, so könnte man die höchst charakteristische Photographie als Stich dem Werke beigeben.
In treuer Ergebenheit, mit der höflichen Bitte mich Ihren Fräulein Töchtern und dem Stockhausen’schen Ehepaare bestens zu empfehlen, ehrfurchtsvoll
Ihr
Max Kalbeck

  Absender: Kalbeck, Max (785)
  Absendeort: Wien
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 4
Briefwechsel Clara Schumanns mit Maria und Richard Fellinger, Anna Franz geb. Wittgenstein, Max Kalbeck und anderen Korrespondenten in Österreich / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz, Anselm Eber und Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2020
ISBN: 978-3-86846-015-5
625f.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 4,46
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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