23.01.2024

Briefe



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ID: 18878
Geschrieben am: Dienstag 13.01.1880
 

Max Kalbeck.

Breslau d. 13. Jan. 80.

Hochverehrte Frau!
Ihre und Herrn Brahms’ Ansicht ist ganz die meinige; nach den Erfahrungen, die ich selber an Verlegern gemacht habe, kann der Autor nichtsUnklugeres thun als mit der Aussicht auf einen Gewinnantheil sich vertrösten lassen. Er müßte dann an einen Buchhändler kommen, der, mehr Gentleman als Geschäftsmann, die Interessen des Schriftstellers so hoch wie seine eigenen hält – und ein solcher soll noch geboren werden. |2| Bei Breitkopfs glaubte ich an einen Ausnahmefall und hielt die Beziehungen, welche zwischen Ihnen und dieser Firma bestehen, für allzu intimer Natur um daran zu rühren. Sie selbst belehren mich nun eines Anderen und bringen mich auf einen Gedanken, den ich schon früher gehabt, wieder zurück. Wie wäre es, wenn wir die Verleger an uns kommen ließen anstatt ihnen entgegen zu gehen? Ich bin der Ueberzeugung, daß, sobald Ihre Absicht, den literar. Nachlaß Ihres Gatten zu publiciren, allgemein bekannt wird, die Verleger sich um das Werk reißen werden. Wir hätten |3| als dann die Wal [sic] unter vielen Propositionen und könnten die vorteilhafteste annehmen. Wollen Sie dagegen Breitkopf die Vorhand lassen, so stände auch dann der andere Weg uns noch offen, falls Ihnen die Leistungen jener Firma nicht convenirten. Wozu Sie aber sich auch entschließen mögen, – das Erste was wir zu thun haben wird sein, daß wir uns über den Plan und Umfang der Arbeit verständigen. Und das wird von meiner Seite aus geschehen können, sobald ich genaue Kenntnis des Nachlasses erhalten und mir ein ungefähres Urteil über seinen literarischen Wert und die zweckmäßigste Art seiner Benutzung gebildet haben werde. |4| Erst, nachdem dies geschehen, werden wir uns auf nähere Unterhandlungen mit dem Verleger ohne beiderseitige Bedenken einlassen können. Am Liebsten wäre es mir, wenn Sie mir schickten, was bereits copirt worden ist, so daß ich vielleicht noch vor Ablauf des Winters nach und nach das ganze Vermächtnis kennen lernte. Alsdann käme ich, wohlvorbereitet und eingeweiht, nach Frankfurt, um Alles mit Ihnen im Einzelnen durchzugehen, und brächte schon einen fertigen Plan mit, der uns die gemeinschaftliche Revision erleichterte. Geht dies nicht an, so möchte ich wenigstens ein Inventar des Materials erhalten, auf Grund dessen ein vorläufiges Abkommen mit dem von Ihnen |5| auserwählten Buchhändler zu ermöglichen wäre, und letzterer sich bereit erklären müßte von vornherein eine Abschlagszalung [sic] zur Deckung meiner Auslagen zu leisten. Weiß er, was an Briefen, Tagebüchern und wichtigen Notizen ihm als Eigentum zufallen soll, so wird er keinen Anstand nehmen außer dem zu vereinbarenden Honorar jene Summe vorzustrecken.
Dies ist nicht sowol meine Ansicht als die meines Freundes Heyse,3 der mir unter anderem Folgendes schreibt: „Hast Du das Vermächtnis durchgesehen, so ließe sich ein genauerer Plan ausarbeiten, auf wie viel Bände, mit wie viel Beilagen von Briefen und Noten etwa das |6| Ganze hinauslaufen würde, und eine Honorarforderung für 1 000 Exemplare formuliren, mit der Bedingung, einen Teil nach Ablieferung der ersten sechs Bogen (oder dgl.) ausgezalt [sic] zu erhalten, da jedenfalls das Correspondenzmaterial4 allein hinreichenden Pfandwert hat, um den Verleger sicher zu stellen. Dies Alles wäre von Frankfurt aus zu ordnen. Ich phantasire aber ziemlich ins Blaue hinein, da es zu allererst und zu guter Letzt auf den Charakter des Verlegers ankommt, ob er dergleichen Unternehmungen großartig oder krämerhaft anzufassen pflegt.“
|7| Auf Ihren Wunsch setze ich Ihnen einen anderen Aufruf auf und sehe Ihrer freundlichen Antwort erwartungsvoll entgegen. Mit den herzlichsten Wünschen für Ihr Wohlergehen bin ich, hochverehrte Frau, ehrfurchtsvoll
Ihr
ganz ergebener
Max Kalbeck
|8| Aufruf.
<Mit den Vorarbeiten zur Herausgabe des literarischen Nachlasses meines Gatten beschäftigt, richte ich an alle Diejenigen,>◊1 welche im Besitz von noch nicht bekannt gewordenen Autographen Robert Schumann’s sich befinden, oder denkwürdige Notizen persönlicher Art über ihn mitzutheilen wissen, die ergebene Bitte, das bezügliche biographische Material mir zur Durchsicht freundlichst auf kurze Zeit anvertrauen zu wollen.

  Absender: Kalbeck, Max (785)
  Absendeort: Breslau
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 4
Briefwechsel Clara Schumanns mit Maria und Richard Fellinger, Anna Franz geb. Wittgenstein, Max Kalbeck und anderen Korrespondenten in Österreich / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz, Anselm Eber und Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2020
ISBN: 978-3-86846-015-5
615-618

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 4,6
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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