Innig verehrte geliebte Meisterin!
Glücklich bin ich, daß Ihnen mein Gedenkblättchen eine Sonntagsfreude brachte, mir selber ist es im Abdruck noch nicht zur Hand gekommen, u. hoffe ich nur, daß nicht zu viele Druckfehler sich vorfanden. – Ihre theuren Zeilen, u. die wonnigen Rosen, die mir Ihre liebe Tochter sandte,
eben in dem Moment als ich meine Vasen von den entblätterten befreite, haben mir das, durch allerlei Erlebnisse u. stillen Kämpfe so schwere Herz wieder leicht gemacht. – Hatte ich doch vor ein paar paar Stunden einen herzzerreissenden Brief einer alleinstehenden Freundin in Venedig, Frau Mary Preuss, die gewissermaßen Abschied von mir nimmt, u. – vor dem Selbstmord steht! – Und dann nicht helfen können – weil man eben selber nichts hat – das ist zu qualvoll! –
– Später.
Allerlei Bekannte gingen so eben von mir, die heute die „Signale“ gelesen hatten, u. mir so viel Liebes sagten über meine Schumann-Erinnerung! Ich aber empfand eben nur die Genugthuung, daß noch immer das was aus dem Herzen kam, – innig verehrte Meisterin, – doch auch wieder zu Herzen geht! – Und nun küsse ich |3| im Geiste tausendmal die theuren Künstlerhände. Gern wäre ich selber gekommen, aber ich leide seit Wochen an einem qualvollen Nervenschmerz im rechten Oberarm, der sich noch gar nicht beruhigen will. – Und in diesem kalten Wetter erst recht nicht!
Im Übrigen bin ich fleißig – das beste Mittel, außer der geliebten Musik, weniger schwer zu fühlen, daß man eben – eine alleinstehende Frau, – ein Garten ohne Zaun, ist. – Mit tausend warmen Herzensgrüßen, auch an die treuste Tochter, in unwandelbarer Liebe u. Dankbarkeit u. Verehrung, theuerste Meisterin, allezeit
Ihre
Elise Polko
16 Juni 1895.
Parkstr. 11.
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